Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
hindurch.«
    »Eine sehr verständliche Frage.«
    In Dr. Nielsons Stimme lag viel menschliches Wohlwollen.
    »Ja, sehr verständlich. Die meisten fragen das bei ihrer Ankunft. Aber das ist ja gerade der Vorteil unserer Gemeinschaft, dass sie eine Welt für sich bildet. Man hat gar keinen Grund, auszugehen. Draußen ist nur die Wüste. Ich will Sie durchaus nicht tadeln, Mrs Betterton. Den meisten, die hierher kommen, liegt diese Frage am Herzen. Dr. Rubec nennt es die Furcht vor der Einsamkeit. Aber das geht vorüber. Das ist noch ein Überbleibsel aus der Welt, die Sie verlassen haben. Haben Sie je einen Ameisenhaufen beobachtet, Mrs Betterton? Das krabbelt und rennt hin und her mit ewiger Hast und Geschäftigkeit. Und das Ganze ist doch bloß ein wirres Durcheinander – ein Abbild jener Welt, die Sie hinter sich gelassen haben, Mrs Betterton. Hier aber herrscht Ruhe, Zweckmäßigkeit, hier hat man Zeit zu allem. Hier ist das Paradies auf Erden!«, schloss er lächelnd.

13
     
    » H ier ist es wie in einer Schule«, sagte Sylvia.
    Sie war wieder in ihrer eigenen Wohnung. Die von ihr ausgewählten Dinge lagen im Schlafzimmer. Sie hängte die Kleider in den Schrank und ordnete die anderen Sachen nach ihrem Gutdünken ein.
    »Mir ging es anfangs genauso«, erwiderte Betterton.
    Ihre Unterhaltung hatte immer etwas Gezwungenes. Die Angst vor Wanzen lastete auf ihnen.
    Unvermittelt sagte er:
    »Ich glaube übrigens, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht hab ich mir auch nur alles eingebildet. Gleichwohl…«
    Er brach ab, aber Sylvia wusste, was er hatte sagen wollen: Aber gleichwohl ist es besser, vorsichtig zu sein.
    Die ganze Situation war wie ein Albdruck auf Sylvia. Sie teilte ihr Schlafzimmer mit einem gänzlich Fremden, und doch war das Gefühl der Unsicherheit und der Furcht vor unbekannten Gefahren so stark, dass ihr das seltsame Verhältnis zu diesem Mann gar nicht so deutlich zum Bewusstsein kam. Es war, so sagte sie sich, als habe sie eine kleine Hütte auf einer Hochgebirgstour mit Führern und anderen Bergkameraden zu teilen.
    Nach kurzer Pause sagte Betterton:
    »Man muss sich an alles gewöhnen. Wir wollen hier geradeso leben, als ob wir noch zuhause wären.«
    Das war wohl das Vernünftigste. Das Gefühl der Unwirklichkeit würde gewiss noch einige Zeit anhalten. Sie wollte vorläufig auch nicht danach fragen, warum Betterton England verlassen hatte, ob seine Hoffnungen enttäuscht worden waren oder nicht. Sie waren zwei Menschen, die eine Rolle zu spielen hatten und über denen eine unbekannte Drohung hing.
    Darum sagte sie nur:
    »Ich wurde auf jede nur mögliche Weise untersucht, in medizinischer und psychologischer Hinsicht und so weiter.«
    »Ja, das wird hier immer so gemacht«, entgegnete er gleichgültig.
    »Ist es dir ebenso ergangen?«
    »Mehr oder weniger, ja.«
    »Dann musste ich zum stellvertretenden Direktor, wie sie ihn nannten.«
    »Ja, das stimmt. Er leitet die Kolonie. Eine sehr tüchtige Kraft.«
    »Aber er ist nicht die oberste Instanz?«
    »O nein, das ist der Direktor selbst.«
    »Werde ich den auch einmal zu sehen bekommen?«
    »Vermutlich. Aber er lässt sich nicht oft blicken. Von Zeit zu Zeit schickt er Anweisungen. Er ist eine faszinierende Persönlichkeit.«
    Eine leichte Falte erschien zwischen Bettertons Brauen. Das Thema schien ihm nicht besonders angenehm zu sein. Er sah auf seine Uhr.
    »Um acht wird gegessen. Bist du fertig, können wir gehen?«
    Sylvia hatte das neue grüne Kleid angezogen, das einen aparten Kontrast zu ihrem rotblonden Haar bildete. Sie legte noch eine hübsche Kette aus Similisteinen um den Hals, dann gingen sie durch lange Gänge und die Treppe hinunter in den großen Speisesaal.
    Dort kam ihnen Miss Jennson entgegen.
    »Ich habe Ihnen einen etwas größeren Tisch reservieren lassen, Tom«, sagte sie. »Sie werden mit einigen Reisegefährten Ihrer Frau zusammensitzen – und natürlich mit den Murchisons.«
    Sie wandte sich dem bezeichneten Tisch zu. Es gab hier keine Tafel, sondern nur Tische für etwa zehn Personen.
    Andy Peters und Ericsson saßen schon und erhoben sich wieder, als Betterton und Sylvia zu ihnen traten. Sylvia stellte »ihren Mann« vor. Dann setzten sie sich, und Betterton machte alle mit Mr und Mrs Murchison bekannt.
    »Simon und ich arbeiten im selben Labor«, sagte er erklärend. Simon Murchison war ein magerer, blutarmer junger Mensch von etwa sechsundzwanzig Jahren. Seine Frau war dunkel und stattlich. Sylvia hielt sie ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher