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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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Akzent nach für eine Italienerin; sie hieß Bianca und begrüßte Sylvia höflich, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung.
    »Ich werde Sie morgen herumführen«, sagte sie. »Sie sind wohl nicht auf wissenschaftlichem Gebiet tätig?«
    »Leider nicht«, entgegnete Sylvia, »vor meiner Verheiratung arbeitete ich als Sekretärin.«
    »Bianca hat studiert«, sagte Mr Murchison mit Nachdruck, »Ökonomie und Handelswissenschaften. Sie gibt auch Unterricht, aber hier ist nicht allzu viel zu tun.«
    Bianca zuckte die Achseln.
    »Wird schon werden«, sagte sie, »außerdem bin ich vor allem hergekommen, Simon, um bei dir zu sein. Übrigens könnte man hier manches besser organisieren. Da Mrs Betterton nicht wissenschaftlich arbeitet, kann sie mir dabei vielleicht behilflich sein.«
    Sylvia beeilte sich, begeistert zuzustimmen.
    Und Peters erregte allgemeine Heiterkeit, als er seufzend sagte:
    »Ich komme mir vor wie ein kleiner heimwehkranker Bub, der soeben im Internat abgeliefert wurde. Hoffentlich kann ich mich bald nützlich machen.«
    »Hier kann man wunderbar arbeiten«, meinte Simon enthusiastisch, »vorbildliche Einrichtungen und nie eine Störung von außen.«
    »Auf welchem Gebiet arbeiten Sie?«, fragte Peters.
    Und die drei Männer vertieften sich sofort in ein wissenschaftliches Gespräch; nicht alle der dabei vorkommenden Fachausdrücke waren Sylvia geläufig.
    Sie wandte sich daher an Ericsson, der bequem zurückgelehnt in seinem Stuhl saß und mit abwesenden Augen ins Leere starrte.
    »Und Sie?«, fragte sie ihn. »Sind Sie auch heimwehkrank?«
    Er schrak zusammen und sah sie zerstreut an.
    »Ich brauche keine Heimat«, sagte er, »Heimat, Freundschaftsbande, Eltern, Kinder – alles nur hinderlich bei wirklicher Forschung. Für wissenschaftliche Arbeit muss man frei und ungebunden sein.«
    »Und Sie glauben, dass Sie das hier sein werden?«
    »Das lässt sich noch nicht sagen. Aber ich hoffe es wenigstens.«
    »Nach dem Essen«, wandte sich Bianca an Sylvia, »kann man alles Mögliche unternehmen. Wir haben ein Kartenzimmer, auch ein Kino, und an drei Abenden in der Woche finden Theateraufführungen statt. Gelegentlich wird auch ein Ball veranstaltet.«
    Ericsson runzelte missbilligend die Stirn.
    »Das ist alles unnötiges Zeug. Es wirkt nachteilig auf die Arbeitsleistung.«
    »Nicht bei uns Frauen«, antwortete Bianca. »Frauen brauchen so etwas.«
    Er sah sie mit unverhülltem Missfallen an, während Sylvia dachte: Für ihn gehören Frauen auch zu den unnötigen Dingen.
    »Übrigens möchte ich früh schlafen gehen«, sagte sie und gähnte. »Ich werde mir heute Abend weder einen Film ansehen noch Bridge spielen.«
    »Du hast Recht, meine Liebe«, fiel Thomas Betterton hastig ein, »du hast eine ausgiebige Nachtruhe nach deiner anstrengenden Reise nötig.«
    Und als sie aufstanden, fügte er hinzu: »Abends ist die Luft hier herrlich. Man geht nach dem Essen gewöhnlich ein paar Minuten auf dem Dachgarten spazieren, ehe man sich zur Ruhe begibt oder seinen Studien widmet. Wir sollten auch noch ein wenig hinaufgehen, aber dann musst du dich gleich hinlegen.«
    Sie wurden von einem würdevoll aussehenden Eingeborenen in weißem Gewand mit dem Lift nach oben gefahren. Diese Menschen hatten eine dunklere Haut und waren stämmiger gebaut als die helleren Berber – ein Wüstenvolk, dachte Sylvia. Oben angelangt, war sie hingerissen von der tropischen Schönheit dieses Dachgartens, und sie dachte an die Unsummen, die erforderlich gewesen sein mussten, um diesen Traum aus Tausendundeiner Nacht zu verwirklichen. Viele Tonnen Erde hatte man hier heraufschaffen müssen. Man hörte Wassergeplätscher, sah herrliche Palmen aufragen neben anderen tropischen Gewächsen, und schmale Pfade aus roten glasierten Ziegeln schlängelten sich durch die Büsche.
    »Ein unglaubliches Wunder hier mitten in der Wüste«, sagte Sylvia mit einem tiefen Atemzug, »es ist wirklich Tausendundeine Nacht.«
    »Ich muss Ihnen Recht geben, Mrs Betterton«, sagte Mr Murchison, »es sieht gerade so aus, als ob ein Dschinn das alles geschaffen hätte. Sogar in der Wüste kann man alles erreichen, wenn Wasser und Geld vorhanden sind.«
    »Wo kommt das Wasser denn her?«
    »Man hat es aus dem Berg herabgeleitet. Es ist die Lebensader der Kolonie.«
    Es waren nur wenige Leute auf dem Dachgarten, und auch diese verabschiedeten sich nach und nach.
    Betterton führte Sylvia zu einer niedrigen Steinbank in der Nähe des Geländers, wo sie
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