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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sie:
    »Ich war bei Ihrer Frau, als sie starb, und bot ihr an, an ihrer Stelle zu versuchen, Ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Sie hatte eine dringende Botschaft für Sie«, fuhr sie schnell fort, als sie sah, dass er den Mund zu einer Frage öffnete, »sehen Sie, ich sympathisierte sehr mit den Ideen, die Sie soeben erwähnt haben. Wissenschaftliche Geheimnisse, die man mit allen Nationen teilen will – eine neue Weltordnung. Ich begeisterte mich dafür. Und dann mein Haar – man erwartete hier eine rothaarige Frau in meinem Alter, und so dachte ich, dass der Versuch der Mühe wert sei. Und dann – Ihre Frau wünschte sehr, Ihnen diese Botschaft zukommen zu lassen – «
    »Ach ja, die Botschaft – wie lautet sie?«
    »Sie sollten sich in Acht nehmen – sehr in Acht nehmen, sagte sie, es drohe Ihnen Gefahr durch einen gewissen Boris – «
    »Boris? Meinen Sie Boris Glyn?«
    »Ja. Kennen Sie ihn?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Begegnet bin ich ihm nie. Ich weiß nur, dass er ein Vetter meiner ersten Frau ist, ich hörte von ihm.«
    »Warum soll er denn eine Gefahr für Sie bedeuten?«
    Es erfolgte zunächst keine Antwort, sodass Sylvia ihre Frage wiederholen musste.
    »Ach so«, sagte er, aus seiner Versunkenheit auftauchend, »ich weiß zwar nicht, inwiefern er gerade mir gefährlich sein soll, aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, scheint er wirklich ein gefährlicher Bursche zu sein.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ach, er scheint einer jener verstiegenen Idealisten zu sein, die um ihrer Überzeugung willen unter Umständen auch über Leichen gehen. Hat Olivia ihn gesehen? Was hat er von ihr gewollt?«
    »Das weiß ich nicht – sie sagte nichts weiter – oder doch, sie sagte noch, sie könne es nicht glauben – «
    »Was nicht glauben?«
    »Das weiß ich nicht« – sie zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Sie lag doch im Sterben…«
    Ein plötzlicher Schmerz verzerrte sein Gesicht.
    »Ich weiß – ich weiß – ich muss darüber hinwegkommen – mit der Zeit. Vorläufig kann ich es noch nicht fassen. Aber ich verstehe die Sache mit Boris nicht. Warum soll er mir denn gefährlich sein? Er hat Olivia wohl in London getroffen?«
    »Ja, in London.«
    »Dann verstehe ich es nicht… es spielt ja auch keine Rolle. Was spielt hier überhaupt eine Rolle? Wir sind ja doch in dieser verfluchten Kolonie eingesperrt, umgeben von einer Schar von Robotern… Und wir können nicht hinaus.«
    Er schlug mit der Faust auf die Bank.
    »Wir können nicht hinaus!«
    »Doch, wir können«, sagte Sylvia.
    Er sah sie überrascht an.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Wir werden einen Weg finden«, behauptete Sylvia fest.
    »Mein liebes Kind« – er lachte verächtlich –, »Sie haben keine Ahnung, wie es hier zugeht.«
    »Während des Krieges haben sich Gefangene aus den schwierigsten Verhältnissen mit den denkbar dürftigsten Mitteln befreit«, sagte Sylvia hartnäckig.
    Sie wollte sich keinesfalls der Verzweiflung hingeben.
    »Sie haben Gänge gegraben und dergleichen.«
    »Wie wollen Sie einen Gang durch den Felsen graben? Und was dann? Ringsum ist nichts als Wüste.«
    »Dann muss man etwas anderes ausfindig machen«, beharrte sie.
    Er sah sie an.
    Sie lächelte aufmunternd, aber ohne innere Überzeugung.
    »Was sind Sie für ein merkwürdiges Wesen. So sicher und dynamisch.«
    »Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Natürlich wird es ein wenig Zeit und Nachdenken erfordern.«
    Seine Miene verdüsterte sich von Neuem.
    »Zeit«, sagte er, »Zeit… die kann ich mir nicht leisten.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen können… es ist nämlich das – ich kann hier nicht richtig arbeiten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wie soll ich es nur ausdrücken? Ich kann nicht richtig arbeiten. Ich kann nicht denken. Meine Arbeit verlangt einen hohen Grad von Konzentrationsfähigkeit. Sie ist ja – zum Teil – schöpferischer Natur. Seitdem ich hier bin, ist mir jede Freude daran verloren gegangen. Ich leiste nur Taglöhnerdienste – Verrichtungen, die jeder Anfänger bewältigen kann. Aber dazu haben sie mich nicht hergelockt. Sie wollen schöpferische Arbeit, und die kann ich nicht leisten. Und je nervöser ich werde, desto unfähiger fühle ich mich zu wertvoller Forschungsarbeit. Das treibt mich noch zur Verzweiflung – verstehen Sie?«
    Ja, sie verstand nur zu gut. Sie dachte an Dr. Rubecs Bemerkung über Primadonnen und Wissenschaftler.
    »Und wenn ich nichts Bedeutendes leiste«, fuhr

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