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Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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der Angestelltensiedlung daneben.
     Als er durch die Reihen der Chalets wanderte, an den leeren Schwimmbecken vorbei, die ganz Afrika zu bedecken schienen, sah er unter einer der Toreinfahrten den Peugeot stehen. An ihrer Staffelei saß Leonora Sully, neben ihr stand ein großer Mann in einem weißen Anzug. Zuerst erkannte Halliday ihn nicht, obwohl der Mann aufstand und ihm zuwinkte. Die Umrisse seines Kopfes und die hohe Stirn kamen ihm bekannt vor, aber die Augen schienen nicht zu dem Rest des Gesichts zu passen. Dann erkannte er Dr. Mallory, und es ging ihm auf, daß er ihn zum erstenmal ohne Sonnenbrille sah.
     »Halliday… lieber Freund.« Mallory lief um das leere Becken herum, um ihn zu begrüßen, und zog dabei den Seidenschal im Halsausschnitt seines Hemdes zurecht. »Wir dachten uns, daß Sie eines Tages kommen würden, .« Er drehte sich zu Leonora um, die Halliday anlächelte. »Um die Wahrheit zu sagen, wir begannen schon, uns ein wenig Sorgen um ihn zu machen, nicht wahr, Leonora?«
     »Halliday…« Leonora nahm ihn am Arm und drehte ihn mit dem Gesicht zur Sonne. »Was ist geschehen – Sie sind so blaß?«
     »Er hat geschlafen, Leonora. Kannst du das nicht sehen, meine Liebe?« Mallory lächelte Halliday an. »Columbine Sept Heures liegt jetzt hinter der Dämmerungsgrenze. Halliday, Sie haben das Gesicht eines Träumers.«
     Halliday nickte. »Es ist gut, aus der Dunkelheit herauszukommen, Leonora. Die Träume waren es nicht wert, sie zu suchen.« Als sie wegsah, wandte Halliday sich Mallory zu. Die Augen des Arztes störten ihn. Die weiße Haut im Auge schien sie zu isolieren, so als ob der starre Blick aus einem verborgenen Gesicht käme. Irgend etwas sagte ihm, daß das Fehlen der Sonnenbrille eine Veränderung in Mallory anzeigte, deren Bedeutung ihm noch nicht klar war.
     Halliday wich den Augen aus und zeigte auf die Staffelei. »Sie malen ja nicht, Leonora.«
     »Ich habe es nicht nötig, Halliday. Wissen Sie…« Sie wandte sich um und ergriff Mallorys Hand. »Wir haben jetzt unsere eigenen Träume, Sie kommen über die Wüste zu uns geflogen wie juwelenbesetzte Vögel…«
     Halliday sah sie an, wie sie nebeneinander standen. Dann trat Mallory vor, seine weißen Augen wie Gespenster. »Halliday, es ist gewiß nett, Sie wiederzusehen… Sie würden vielleicht gern hierbleiben…«
     Halliday schüttelte den Kopf. »Ich kam nur, um meinen Wagen zu holen«, sagte er mit beherrschter Stimme. Er zeigte auf den Peugeot. »Darf ich ihn mitnehmen?«
     »Aber natürlich, mein Lieber, aber wo wollen Sie…« Mallory zeigte warnend zum westlichen Horizont, wo die Sonne in einer immensen Wolke brannte. »Der Westen brennt, dort können Sie nicht hin.«
     Halliday wandte sich zum Gehen. »Ich fahre an die Küste.« Über die Schulter fügte er hinzu: »Gabrielle Szabo ist dort.«
     Diesmal, als er in Richtung auf die Nacht floh, dachte Halliday an das weiße Haus hinter dem Fluß, das im letzten Licht der Wüste versank. Er folgte der Straße, die von der Raffinerie nach Nordosten führte, und fand eine alte Pontonbrücke über das Wadi. Die fernen Türme von Columbine Sept Heures wurden noch vom letzten Licht des Sonnenunterganges berührt.
     Die Straßen der Stadt waren verlassen, seine eigenen Fußstapfen im Sand hatte der Wind schon zugedeckt. Er ging zu seinem Apartment ins Hotel hinauf. Gabrielle Szabos Haus stand einsam am anderen Ufer. Als er eine der Uhren in der Hand hielt, deren Zeiger sich in dem Goldbronzegehäuse langsam drehten, sah er, wie der Chauffeur den Mercedes in die Einfahrt fuhr. Einen Augenblick später erschien Gabrielle Szabo, ein schwarzer Geist in der Dämmerung, und der Wagen fuhr nach Nordosten davon.
     Halliday wanderte in seinen Zimmern von Gemälde zu Gemälde und starrte in dem trüben Licht auf die dargestellten Landschaften. Er sammelte seine Uhren ein, trug sie auf den Balkon und warf dann eine nach der andern auf die Terrasse hinunter. Ihre zerschmetterten Gesichter, die Zifferblätter weiß wie Mallorys Augen, sahen mit stillstehenden Zeigern zu ihm herauf.

    Einen Kilometer vor Leptis Magna hörte er das Meer in der Dunkelheit auf den Strand rollen und den Seewind die Kämme der Dünen im Mondlicht peitschen. Die Ruinensäulen der Römerstadt ragten neben dem einzigen Touristenhotel auf, das die letzten Sonnenstrahlen abfing. Halliday hielt bei dem Hotel und ging dann zu Fuß an den verlassenen Kiosken am Stadtrand vorbei. Die hohen Arkaden des

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