Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
Vom Netzwerk:
Wüstengelände, und war sich der verschwimmenden Grenzen seiner inneren und äußeren Welt bewußt. Schon waren zwei der Uhren auf dem Kaminsims stehengeblieben. Wenn sie alle aufhörten, würde er endlich von seinem früheren Zeitgefühl befreit sein.
     Am Ende dieser ersten Woche entdeckte er, daß die Frau zu den gleichen Zeiten schlief wie er und hinausging, um die Wüste zu betrachten, wenn Halliday auf seinen Balkon trat. Obgleich seine einsame Gestalt sich klar gegen den Tageshimmel hinter dem Hotel abhob, schien die Frau ihn nicht zu bemerken. Halliday sah, wie der Chauffeur mit dem weißen Mercedes in die Stadt fuhr.
     Er stieg hinunter auf die Straße und ging der Dämmerung entgegen. Er überquerte den Fluß, einen trockenen Rubikon, der die passive Welt von Columbine Sept Heures von der Wirklichkeit der ankommenden Nacht trennte, und erstieg das andere Ufer, vorbei an trübe beleuchteten alten Autowracks und Benzinfässern. Als er sich dem Haus näherte, spazierte die Frau zwischen den sandbedeckten Statuen im Garten, auf deren Steingesichtern die Kristalle lagen wie das Kondensat von immensen Zeiträumen.
     Halliday zögerte an der niedrigen Mauer, die das Haus umgab, und wartete darauf, daß die Frau in seine Richtung bückte. Ihr blasses Gesicht, dessen hohe Stirn über der Sonnenbrille ihn irgendwie an Dr. Mallory erinnerte, schien wie bei Dr. Mallory ein machtvolles Innenleben zu verbergen. Das verblassende Licht umspielte die eckigen Flächen ihrer Schläfen, als sie die Stadt nach dem Mercedes absuchte.
     Sie saß in einem der Stühle auf der Terrasse, als Halliday sie erreichte, die Hände in den Taschen der Seidenrobe, so daß er nur ihr blasses Gesicht mit der gestörten Schönheit – die Sonnenbrille schien sie einzuschließen wie eine innere Nacht – sehen konnte.
     Halliday stand neben dem Glastisch und wußte nicht recht, wie er sich vorstellen sollte. »Ich wohne im ›Oasis‹ – in Columbine Sept Heures«, begann er. »Ich sah Sie vom Balkon aus.« Er zeigte auf das Hotelhochhaus, dessen kirschrote Fassade gegen die sich verdüsternde Luft stand.
     »Ein Nachbar?« Die Frau nickte dazu. »Vielen Dank für Ihren Besuch. Ich bin Gabrielle Szabo. Sind da noch viele?«
     »Nein – sie sind abgereist. Es waren nur zwei, ein Arzt und eine junge Malerin, Leonora Sully – die Landschaft hier sagte ihr zu.«
     »Natürlich. Aber ein Arzt?« Die Frau hatte ihre Hände aus dem Kleid genommen. Sie lagen in ihrem Schoß wie zwei zerbrechliche Tauben. »Was tat er hier?«
     »Nichts.« Halliday überlegte, ob er sich setzen sollte, aber die Frau machte keine Anstalten, ihm den anderen Stuhl anzubieten, als ob sie erwartete, er würde so plötzlich entschweben, wie er gekommen war. »Ab und zu half er mir mit meinen Träumen.«
     »Träume?« Sie wandte sich zu ihm um, so daß das Licht die leicht hohlen Konturen über ihren Augen enthüllte. »Gibt es Träume in Columbine Sept Heures, Mister…«
     »Halliday. Jetzt gibt es Träume. Die Nacht kommt.«
     Die Frau nickte und hob ihr Gesicht der violett getönten Dämmerung entgegen. »Ich spüre sie auf meinem Gesicht – wie eine schwarze Sonne. Wovon träumen Sie, Mr. Halliday?«
     Halliday wäre beinahe mit der Wahrheit herausgeplatzt, aber dann sagte er mit einem Achselzucken: »Von diesem und jenem. Einer alten Ruinenstadt – wissen Sie, mit klassischen Monumenten angefüllt. Jedenfalls träumte ich das letzte Nacht.« Er lächelte. »Ich habe noch einige der alten Uhren. Die anderen sind stehengeblieben.«
     Am Flußufer stieg eine Wolke von vergoldetem Staub von der Straße auf. Der weiße Mercedes kam auf sie zugebraust.
     »Sind Sie schon einmal in Leptis Magna gewesen, Mr. Halliday?«
     »In der Römerstadt? Sie liegt an der Küste, acht Kilometer von hier. Wenn Sie Lust haben, fahre ich mit Ihnen hin.«
     »Eine gute Idee. Dieser Arzt, den Sie erwähnten, Mr. Halliday – wo ist er hingereist? Mein Chauffeur – braucht ärztliche Behandlung.«
     Halliday zögerte. Etwas in der Stimme der Frau gab ihm das Gefühl, daß sie leicht das Interesse an ihm verlieren könnte. Da er Mallory nicht wieder zum Rivalen haben wollte, antwortete er: »Nach Norden, glaube ich; zur Küste. Er wollte Afrika verlassen. Ist es dringend?«
     Bevor sie antworten konnte, merkte Halliday, daß die dunkle Gestalt des Chauffeurs einige Meter hinter ihnen stand. Nur einen Augenblick vorher war der Wagen noch hundert Meter entfernt auf der

Weitere Kostenlose Bücher