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Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Forums tauchten vor ihm auf, über ihm standen die nachgebildeten Statuen der römischen Gottheiten auf ihren Sockeln.
     Halliday kletterte auf einen der Bögen und suchte die dunklen Straßen nach dem Mercedes ab. Da er sich nicht bis in die Mitte der Stadt vorwagen wollte, ging er zu seinem Wagen zurück. Dann betrat er das Hotel und stieg aufs Dach hinauf.
     Nahe der See, wo das antike Theater aus den Dünen ausgegraben worden war, sah er das weiße Rechteck des an der Steilküste geparkten Mercedes. Unter dem Proszenium, auf dem flachen Halbkreis der Bühne, bewegte sich die dunkle Gestalt Gabrielle Szabos zwischen den Schatten der Statuen hin und her.
     Während er sie beobachtete und dabei an Delvauxs »Echo« dachte, mit der verdreifachten Nymphe, die nackt durch die klassischen Pavillons einer mitternächtlichen Stadt wandert, kam Halliday das Gefühl, er sei auf dem warmen Betondach eingeschlafen. Zwischen seinen Träumen und der alten Stadt unter ihm schien es keine Trennlinie zu geben, und die mondbeschienenen Phantome aus seinem Geist bewegten sich frei zwischen der inneren und der äußeren Landschaft hin und her, so wie auch die dunkeläugige Frau aus dem Haus am trockenen Fluß die Grenzen seiner Psyche überschritten und ihm die endgültige Erlösung von der Zeit gebracht hatte.
     Halliday verließ das Hotel und folgte der Straße durch die leere Stadt bis zu dem Rund des Amphitheaters. Während er zusah, kam Gabrielle Szabo durch die antiken Straßen gegangen, ihr weißes Gesicht von dem flüchtigen Licht zwischen den Säulen beleuchtet. Halliday stieg die Steinstufen zur Bühne hinab und merkte wohl, daß der Chauffeur ihn vom Wagen am Kliff aus beobachtete. Die Frau kam mit langsam wiegenden Hüften auf Halliday zu.
     Drei Meter vor ihm blieb sie stehen und prüfte mit erhobener Hand die Dunkelheit. Halliday trat vor, zweifelnd, ob sie ihn überhaupt sehen konnte, hinter der Sonnenbrille, die sie immer noch trug. Als sie seine Schritte hörte, wich sie zurück und sah zum Chauffeur hinauf. Aber Halliday ergriff ihre Hände.
     »Miß Szabo, ich sah Sie hier gehen.«
     Die Frau hielt seine Hände mit plötzlich starken Fingern. Hinter ihrer Brille war das Gesicht eine weiße Maske. »Mr. Halliday…« Sie strich über seine Handgelenke, als fühle sie sich erleichtert, ihn zu sehen. »Ich dachte mir, daß Sie kommen würden. Sagen Sie mir, wie lange sind Sie schon hier?«
     »Wochen – oder Monate, ich kann es nicht mehr sagen. Ich habe von dieser Stadt schon geträumt, bevor ich nach Afrika kam. Miß Szabo, ich sah Sie hier in diesen Ruinen gehen.«
     Sie nickte und nahm seinen Arm. Zusammen gingen sie durch die Säulen davon. Zwischen den schattigen Pfeilern der Balustrade war das Meer. Die weißen Wellenkronen rollten an den Strand.
     »Gabrielle… warum sind Sie hier? Warum kamen Sie nach Afrika?«
     Sie raffte mit einer Hand das Seidenkleid hoch, als sie über die Treppe zu der Terrasse hinuntergingen. Sie lehnte sich eng an Halliday an, und ihre Finger umklammerten seinen Arm. Dabei lief sie so steif, daß Halliday schon dachte, sie sei vielleicht betrunken. »Warum? Vielleicht, um dieselben Träume zu sehen, das wäre möglich.«
     Halliday wollte gerade sprechen, als er die Schritte des Chauffeurs hörte, der ihnen die Treppe hinunter folgte. Während er sich umsah und für einen Augenblick von Gabrielles schwankendem, gegen ihn stoßenden Körper abgelenkt wurde, bemerkte er einen stechenden Geruch, der aus der Entlüftung einer der alten römischen Kloaken unter ihnen kam. Der obere Teil des mit Ziegeln ausgemauerten Kanals war eingefallen, und das Bassin war zum Teil von den Wellen angefüllt, die über den Strand hineinrollten.
     Halliday blieb stehen. Er versuchte hinunterzuzeigen, aber die Frau hielt seine Handgelenke mit eisernem Griff fest. »Da unten! Sehen Sie!«
     Er riß seine Hand los und zeigte in das Bassin des Abzugskanals, wo ein Dutzend halb untergetauchte Formen auf einem Haufen lagen. Von der See und nassem Sand herumgewirbelt, waren die Leichen nur an den in dem bewegten Wasser hin und her schwingenden Armen und Beinen zu erkennen.
     »Um Gottes willen – Gabrielle, wer sind die?«
     »Arme Teufel…« Gabrielle Szabo wandte sich ab, während Halliday über den Rand in das drei Meter unter ihm liegende Bassin starrte. »Die Evakuierung – es hat Unruhen gegeben. Sie liegen schon Monate dort.«
     Halliday kniete nieder und überlegte, wie lange es wohl

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