Der Unsichtbare Feind
muss sich nackt ausziehen und wird dekontaminiert, alle Kleidungsstücke werden in speziellen Müllsäcken verpackt und entsorgt, sogar das Wasser, mit dem die Leute abgeduscht werden, wird gesammelt. Dann wird im Wesentlichen der ganze Franklin D. Roosevelt Drive mit Lysol desinfiziert …«
Die meisten Zuschauer schauten sich weiter das Feuerwerk an und waren sich gar nicht darüber im Klaren, dass man sie gleich unter Quarantäne stellen würde. Nur einige am Rand der Menge zeigten mit dem Finger auf die massive Polizeipräsenz und die Ankunft hunderter von Schulbussen, die sie hinter sich bemerkten.
»Natürlich wird das in großem Maßstab stattfinden. Wir suchen noch nach Plätzen, wo wir diese Menschenmassen unterbringen können – Madison Square Garden, das Yankee Stadium, das Shea Stadium –, und in ein paar Minuten wird es hier hinsichtlich der bürgerlichen Freiheiten einen Albtraum geben, wenn man versucht, einhundertfünfzigtausend Menschen –«
»Mach ihnen Hoffnung«, sagte Steele.
»Hoffnung? Für diejenigen, die erkranken, gibt es keine Hoffnung. Das ist es, was so verdammt hart werden wird. Jeder wird versuchen, wegzulaufen –«
»Tamiflu«, unterbrach ihn Steele.
Kathleen sah ihn verständnislos an: »Tami – was?«
Stanton war wie vom Blitz getroffen. »Mein Gott!«
»Die Idee kam mir auf der Rückfahrt hierher.«
»Richard, du könntest Recht haben. Das ist genial. Warum habe ich nicht selbst daran gedacht?«
»Weil du da in deinem Elfenbeinturm hockst.«
»Was zur Hölle ist Tamiflu?«, hakte Kathleen nach.
»Wir können als Erstes sämtliche Apotheken der Stadt plündern«, fuhr Steele fort, als ob er sie gar nicht gehört hätte. »Schnelligkeit ist natürlich entscheidend. Ich bezweifle, dass wir das übliche Zeitfenster von sechsunddreißig Stunden haben, wenn die Vektoren direkt in die Zellen eindringen, und wir müssen praktisch jede Dosis in Amerika finden und sie auch noch bis morgen hierher transportieren, um genug –«
»Ich werde das sofort in die Wege leiten«, sagte Greg. »Und die Pharmaziefirma selbst hat sicher auch noch Vorräte –«
»Kann mir endlich mal jemand antworten?«, fiel ihnen Kathleen ins Wort. »Ich habe gefragt: ›Was zur Hölle ist Tamiflu?‹«
Die beiden Männer starrten sie an.
Dann sagte Steele: »Ein Neuraminidasehemmer.«
»Also was ist es denn nun?«
»Mit dem Namen Oseltamivirphosphat«, ergänzte Greg.
Steele zog die Augenbrauen hoch. »Hey, ich bin beeindruckt, Kumpel.«
»Nun, ich kann immer noch lesen und bleibe auf dem Laufenden. Also keine Witze mehr über Elfenbeintürme –«
»Wenn ihr zwei nicht endlich mit mir sprecht, und zwar in klaren Worten, dann schmeiße ich euch gleich von diesem Gebäude –«
»Okay, okay«, beschwichtigt Steele. »Du erinnerst dich daran, wie uns Julie Carr diese Bilder aus dem Elektronenmikroskop gezeigt hat, die Bilder von den Grippeviren mit all diesen Stacheln? Sie hat uns damals erklärt, dass diese Strukturen Neuraminidase enthalten, ein Molekül, das die Verbindung zwischen dem Virus und einer Zelle aufspalten kann, sodass der Organismus freigesetzt wird und sich andere Zellen im Körper suchen kann, um die zu infizieren. Wenn man es früh genug gibt, blockiert Tamiflu genau diese Freisetzung. Der Grippeerreger kann sich nicht vervielfältigen und über die ersten infizierten Zellen hinaus ausbreiten, wie er es normalerweise tut, und so ist der Schaden nur begrenzt.«
»Aber wird das bei der Hybride funktionieren? Besonders bei einer Hybride, die in einem genetischen Vektor transportiert wird?«
»Das ist die Million-Dollar-Frage«, sagte Stanton. »Es wird die Vektoren nicht daran hindern, in die Zellen einzudringen, und auch nicht die erste Vervielfältigung des Virus. Aber es könnte die Ausbreitung dieser Organismen auf andere Zellen blockieren. Das Problem ist, dass selbst bei gewöhnlicher Grippe einige Stämme eine leicht veränderte Neuraminidase haben, die sie für die blockierende Wirkung des Medikaments weniger empfindlich macht. Ob diese Hybride zu einem dieser Stämme gehört, wissen wir erst, wenn wir es ausprobiert haben.« Er legte seine Arme um die Schultern der beiden und drückte sie. »Aber wenigstens gibt es allen, einschließlich euch, eine Abwehrchance.« Er sah zu Steele hinüber. »Und jetzt, wo ich meinen besten Freund endlich wieder so weit habe, dass er mich so beleidigt, wie er es früher immer getan hat, habe ich bestimmt nicht die Absicht,
Weitere Kostenlose Bücher