Der unsichtbare Feind
gehöre, verblaßten einige Teile des Stammeszeichens. Nun ist es deutlich, ebenso wie mein Entschluß, hier zu bleiben.«
»Also werden wir uns an einem anderen Platz, zu einer anderen Zeit wieder treffen«, sagte er und entschied, nicht weiter in sie zu dringen.
»Ich weiß es nicht. Aber die nächsten Monde werde ich erleben, was ich einst hätte erleben sollen.«
Kukuar nickte und wandte sich an den Floßvater.
»Du wirst nach Onaconz fahren, Giryan? Wie besprochen?«
»Dort warte ich auf deine Nachrichten oder auf solche, die von Luxon kommen.«
»Abgemacht.«
Kukuar kletterte an Deck zurück. Die Taue wurden gelöst, und langsam trieben Floß und Schiff auseinander, zwei verschiedenen Zielen entgegen. Im Heck der Ayadon stand Kukuar und versuchte im guten Sonnenlicht, bei freundlichem Wind, die letzten Rätsel der Karte des Dunkeljägers herauszufinden.
Kaizans Karte war verschlüsselt, aber nach und nach ließ sie sich deuten. Punkte und Flecken waren Inseln und erhielten ihre Namen von Kukuar: Quenya, Zepok, Incub oder Thapo. Bei dem Atoll versammelte Hexenmeister Aiquos eine Flotte von viermal zehn Galeeren.
Die Ayadon segelte weiter, erreichte den Archipel von Quin, und bald sah man die Mastspitzen der versteckten Flotte aus Logghard. Die Schiffe, die Luxon unter die Aufsicht seines Freundes Hrobon gestellt hatte, schaukelten an ihren Ankertauen und den dicken Landleinen ruhig in der langgezogenen Dünung. Auf dem Deck der Rhiad erwartete Hrobon den falschen Piraten.
*
KAPITÄN ERGYSE
Ziellos seine Gedanken, unschlüssig, obwohl Folter und Todesversprechen weit hinter ihm lagen, kauerte er mit angezogenen Knien im Schutz der massiven Heckreling. Er hatte seinen Körper in eine große Felldecke gehüllt, und er fühlte, wie der Tau die Fellhärchen benetzte und die Decke immer schwerer machte.
Zehn Schiffe, die Ayadon eingeschlossen, würde Kukuar als falscher Pirat des Quin-Inselreichs der Flotte Luxons beifügen. Zusammen mit der Rhiad verfügte Luxon noch über fünfundvierzig große Segler. Die Mannschaften waren hart und sturmerprobt; mehr als fünfzig Schiffe sollten die vierzig Zaketer-Galeeren wohl besiegen können, die nach den Zahlen der gefundenen Karte sich von Aiquos befehligen ließen.
Also doch: eine Seeschlacht!
Wann sie ausbrach, stand noch nicht fest. Aber sie war die Bedingung dafür, daß die Mächte in Yucazan, verbunden mit dem HÖCHSTEN, besiegt werden konnten. Es ging um die Neue Flamme von Logghard und ums Shalladad. Luxon mußte siegen! Der Shallad würde, wenn es nicht um diesen Sieg ging, keinen einzigen Mann opfern. Eine vage Zuversicht erfüllte die Gedanken des Kapitäns ohne Schiff. Die Stolz von Logghard war nicht mehr.
Immer wieder fuhr Ergyse in seiner Vorstellung die Linien nach, die auf der Karte eingezeichnet waren.
Die einzelnen Bewegungen der Flotte der Zaketer ergaben ein klares, jedem guten Seemann verständliches Bild. So und nicht anders würde sich ein kluger Kampflenker vorbereiten, um zu kämpfen und letztendlich zu siegen.
Ergyse richtete sich auf und spähte über die Reling.
Die ungewöhnliche Ruhe, der fahle Geruch in der salzigen Luft, die Silhouetten der Schiffe und die schwarzen Umrisse der Inseln und ihrer Gewächse vereinigten sich zu einem Bild, das Zerstörung und Furcht ausstrahlte.
Ergyse wußte jetzt, daß die gegnerische Flotte in einem Überraschungsangriff zerstört werden konnte.
Dann war der Weg frei, um die Neue Flamme zurück nach Logghard zu bringen.
Und gerade die Gedanken daran machten ihm Angst. Er vergegenwärtigte sich das kommende Unheil, das Chaos des Kampfes und die Ungewißheit, was nachher geschehen würde.
War dies der Anfang von ALLUMEDDON?
*
FLOSSVATER GIRYAN
Morgen, in der ersten Dämmerung, würden sie im Hafen von Onaconz anlegen und die Ladung löschen. Zwei Häfen waren seit dem Losmachen in Yucazan angelaufen worden – Roynak im Land der Colteken und Cayocon weiter im Norden. Die Strömung hatte das Floß, nachdem sich Ergyse und seine Männer von den Tacunter-Flößern getrennt hatten, in nördlicher Richtung an der Ostseite der großen Einhorn-Insel entlangdriften lassen, auf uralten, sicheren Strömungen und Wirbeln, deren Kenntnis die Floßväter über unzählige Generationen hinweg ihren Söhnen weitergegeben hatten.
»Giryan, Floßvater?« fragte Yzinda, die neben ihn ans Ruder getreten war.
»Ja?«
»Ich habe noch nie eine solche Nacht erlebt. Was bedeutet es?«
Das Meer erstreckte sich
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