Der unsichtbare Killer
Charakterzugs, den Jupiter schon seit Langem bei ihr vermutete.
Rebka bemerkte, dass sie aus irgendeinem Grund die kleine Glasphiole umklammerte, die an einer silbernen Kette um ihren Hals hing. Sie erdete sie. Ließ die Sorge verklingen, die sich in ihr aufgebaut hatte. Rebka sah zu, wie die Legionäre ihre Übungen abbrachen und sich unter fröhlichen Rufen und Dankesworten regelrecht auf den Pizzaboten stürzten. Angela verließ das Laufband und trat zu ihnen, nahm ein Stück Hawaiipizza, deren Käse lange Fäden zog. Sie plauderte entspannt mit ihren Kameraden, und bei ein paar Männern war eine Spur von Flirten im Spiel. Hätte Rebka es nicht besser gewusst, hätte sie sie glatt für ein weiteres Mitglied des Trupps halten können, so eng war die Kameradschaft. Eine Strategie, die man anerkennen musste. Angela passte sich hervorragend ein. Wenn es zu dem entscheidenden Moment kam, würde der Trupp zögern, sich gegen sie zu wenden.
»Ausgezeichnet«, flüsterte Rebka und zog sich vom Fitnessstudio zurück. Sie hatte damit gerechnet, dass ihre Gefühle beim ersten Blick auf Angela in einen heftigen Aufruhr geraten könnten, aber stattdessen war da überraschenderweise nur jede Menge Bewunderung.
Selbst jetzt, da sie die Freundin ihrer Kollegin Lulu war, konnte Rebka nicht so locker mit Menschen umgehen, wie es Angela offenbar gelang (und das, nachdem sie zwanzig Jahre in diesem Dreckloch von Gefängnis eingesperrt gewesen war!). Rebka war überzeugt, dass ihre eigenen unterentwickelten sozialen Fähigkeiten etwas mit ihrer Kindheit zu tun hatten. Noch immer konnte sie sich an nichts erinnern, was vor ihrem fünften Geburtstag lag. Ihre Eltern, Monique und Carvell, hatten ihr erklärt, es käme davon, dass sie von Geburt an sehr krank gewesen sei. Es war einzig den exzellenten Genetikern auf Jupiter zu verdanken, dass sie überhaupt noch lebte. Die entscheidende Gentherapie, die ihre DNA neu sequenziert hatte, hatte Jahre in Anspruch genommen.
Einen Tag vor ihrem fünften Geburtstag war sie aus dem Krankenhaus entlassen worden, konnte nach Hause gehen und ihre erste Feier erleben. Dies war der Tag, an dem ihre Erinnerung einsetzte, der Augenblick, an dem ihr Leben wirklich begonnen hatte.
Sid und sein Team identifizierten neunundzwanzig Taxis, die Sonntagabend in das Gebiet um die Fawdon-RRD gefahren waren. Die Mesh-Abdeckung um die eigentliche Grenze herum zählte zu den Schlechtesten der ganzen Stadt; höchstens die drei anderen RRD-Gebiete konnten versuchen, damit zu konkurrieren. Sie hatten also keine Ahnung, welches Taxi sich tatsächlich als das erweisen würde, das später ausgebrannt war. Sie ließen die Simulation bis zum Morgen laufen, aber bis Montagmittag waren laut Aufzeichnung nur zwei der Taxis wieder aufgetaucht, obwohl viele dieser Gefährte von dem Viertel weggefahren waren. Allerdings hatten die weder ein Kennzeichen noch eine Zulassungsnummer, die zu einem der siebenundzwanzig gepasst hätten, die hineingefahren waren.
Sid ließ jetzt anhalten. »Die halbe Morgenschicht arbeitet mit einer falschen Zulassung«, sagte er zu Ralph Stevens. »Der Fahrpreis wandert auf Nebenkonten, die in Vietnam oder Dubai oder Tschetschenien registriert sind, sodass das Finanzamt sich nicht dafür interessiert.«
»Ich dachte, Nigeria wäre der Renner für Nebenkonten«, murmelte Ralph.
»Unsere Gangs lieben es, die Last weiter zu streuen.«
»Oh! Und jetzt …?«
»Jetzt verfolgen wir die siebenundzwanzig Taxis zurück, die in dieser Nacht in Fawdon auftaucht sind, und finden heraus, welches davon vom Elswick Wharf gekommen ist.«
Es war eine mühsame Arbeit, die es manchmal erforderlich machte, die Simulation in Zwei-Sekunden-Intervallen laufen zu lassen, wenn ein Taxi eine besonders schlechte Kreuzung erreichte. Am Abend um sechs Uhr dreißig waren sie acht der siebenundzwanzig über verschiedene Strecken gefolgt, während unterschiedliche Kunden ein- und ausgestiegen waren. Die Arbeit wurde in zwei Fällen noch zusätzlich dadurch erschwert, dass die Taxis zwischen zwei Fahrten die Zulassungsnummern gewechselt hatten. Am Ende waren alle acht überprüft – sie waren nicht einmal in der Nähe des Elswick Wharf gewesen.
»Verpfeifen wir sie beim Finanzamt?«, fragte Ian.
Sid zuckte mit den Schultern. Sie waren beide im Kontrollzentrum des Immersionstheaters und machten Pause, nachdem sie lange in der Simulation herumgewatet waren. Nun waren Ari und Reannah an der Reihe, sich am Kopf zu kratzen,
Weitere Kostenlose Bücher