Der unsichtbare Killer
des RRD-Areals. »Nichts«, erklärte er schließlich.
»Bringen Sie uns dreißig Sekunden weiter«, befahl Sid. Er sondierte das neue Fahrzeugmuster.
»Im Ernst?«, meinte Ralph. »Dreißig Sekunden?«
»Ja. Lange genug, um eine Veränderung zu registrieren, aber nicht genug Zeit, um in die RRD-Zone zu flitzen, ohne dass wir es sehen.«
»Aber wir müssen ungefähr vier oder fünf Stunden abdecken.«
»Ja, Mann, haben Sie heute noch irgendwas vor?«
Samstag, 19. Januar 2143
Eine strahlende Wintersonne schien von einem wolkenlosen Himmel auf die Schneedecke der Stadt herunter und brachte das Weiß auf allen Straßen zum Funkeln. An diesem Morgen ging der Verkehr in dem monochromen Dunst nur schleppend voran, weil alle Straßen verstopft waren. Die Ringstraße von Newcastle war um fünf Uhr morgens gesperrt worden, um es dem Logistik-Corps der HDA zu ermöglichen, einen strategischen Luftfrachter – eine Boeing C-8000 Daedalus – vom örtlichen Flughafen, wo er in der Nacht zuvor gelandet war, die ganze Strecke bis zum Gateway nach St Libra zu schleppen. Obwohl die Boeing bereits eine Stunde zuvor durchgegangen war, hatte das KI-Management der Stadt immer noch erhebliche Mühe, die normale Verkehrsführung wiederherzustellen.
Rebka musste eine Sonnenbrille aufsetzen, so sehr blendete sie der allgegenwärtige strahlend weiße Schnee, während sie im hinteren Teil des über die verstopfte A167 kriechenden NECatering-Services-Belegschaftsbusses saß. Bei ihrem neuen Arbeitgeber handelte es sich um eine Firma, in der etliche Regierungsbeamte Posten als nicht-exekutive Mitglieder des Verwaltungsrats innehatten; diese Kontakte hatten unausweichlich zu Supportverträgen für die Expedition geführt. NECatering Services war nichts weiter als ein Umsatzerzeuger für private Aktionäre – ein typisch modernes Unternehmen, das den größten Teil des Tagesgeschäfts an andere Anbieter weiterreichte, die es dabei ausquetschte. Unter den jungen Angestellten herrschte eine hohe Fluktuation. Alle waren über Zeitverträge mit den legalen Mindestsozialleistungen eingestellt worden; die Dokumentation und erst recht das betriebliche Rechnungswesen waren miserabel – nicht, dass das GE-Finanzamt die Firma jemals überprüft hätte.
Dies machte es Rebka und dem Team, das sie unterstützte, geradezu lächerlich leicht, in verschiedene offizielle Datenbanken eine geeignete Legende einzuschleusen, die den Hintergrund für die zwanzig Jahre alte »Madeleine Hoque« bildete, die verschiedene Aushilfstätigkeiten in Newcastle übernommen hatte, aber bei keinem Arbeitgeber länger als zwei Monate geblieben war – was NECatering Services ohnehin nie ernsthaft überprüft hätte. Madeleine bewarb sich online und wurde innerhalb von zehn Minuten angenommen. Ein bisschen länger brauchten die Byteheads ihres Teams, um sie zum Expeditionspersonal zu versetzen, aber auch diese Aufgabe wurde mit einem Minimum an Aufsehen erledigt – NECatering Services investierte nicht gerade viel in digitale Sicherheit. Danach musste sie sich nur noch ein paar Tage in Gesundheitspflege ausbilden lassen, um die grundsätzliche GE-Zulassung 5. Klasse zu bekommen, was sie in einer heruntergekommenen kommerziellen Übungsküche in Winlaton getan hatte. Als sie mit den anderen
NECatering-Services-Angestellten die HDA-Basis erreichte, kannte sie daher viele von ihnen bereits. Sie war mit ihnen im gleichen Kurs gewesen, und so war sie nicht die Neue und die Außenseiterin.
Der mit fünfzehn Plätzen ausgestattete Bus erreichte den Eingang des strengen Betongebäudes um zehn Uhr dreißig am Samstagmorgen. Alle stiegen aus, während HDA-Transporter und Lkws vorbeifuhren. Seit Tagen trudelten Container ein, was die Kapazität des Lagerplatzes hinter der Basis schon bald überforderte. Die junge Madeleine Hoque und ihre neuen Freunde kauerten sich zusammen und sahen zu, wie ein Konvoi aus Siebzigtonnern mit vollbeladenen Tieflader-Anhängern die Basis verließ und zum St-Libra-Gateway am Ende von Last Mile fuhr.
»Verdammt«, brummte Lulu MacNamara, als der Luftzug von einem dieser Lastwagen ihren Schal herumwirbelte. »So was habe ich ja noch nie gesehen.«
»Wir machen Geschichte, allerdings«, stimmte Rebka ihr zu.
»Was ist nur so verflucht wichtig da drüben? Irgendwelche Radikale, die in die Algenfelder pinkeln?«
»Muss was mit dem toten 3North zu tun haben«, verkündete Fuller Owusu überzeugt.
»Das war ein Autodiebstahl«, sagte Lulu.
»Das
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