Der unsichtbare Killer
Saul erinnerte sich an die Stunden, die sie in dem kleinen Fitnessstudio verbracht hatten. Während Saul das Ziel gehabt hatte, fürs Surfen schlank zu bleiben, war es Duren nur um Kraft gegangen. Und wenn er nicht Gewichte stemmte, nahm er Unterricht in Kung Fu oder Kickboxen, oder was auch sonst immer es ihm ermöglichte, anderen Menschen die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, ohne dafür verhaftet zu werden. Außerhalb der Politik war es das, wofür er lebte, und er erreichte das Nirvana, wenn er die beiden Dinge miteinander verbinden konnte.
Einen Herzschlag lang sah Saul seinen alten Fast-Freund einfach nur an, zu überwältigt und nervös, um irgendwie reagieren zu können. Dann verzog sich Durens rundes Gesicht zu einem breiten Lächeln, und ein paar Eckzahn-Implantate wurden sichtbar. »Mann, für einen alten Kerl siehst du richtig gut aus.« Duren packte Sauls Hände und umfasste sie vollständig in einem heißen, schwitzenden Griff. »Du hast kein verfluchtes Gramm zugelegt, und das seit – wie viel – zehn Jahren?«
»Mehr als das«, lächelte Saul zurück und hoffte, dass er herzlich wirkte.
»Immer noch hinter der Röhre her?«
»Wenn ich Zeit habe.«
»Ja«, sagte Duren, und seine Stimme klang wie ein keuchendes Flüstern. »Ich habe gehört, dass du verheiratet bist. Du! Und du hast inzwischen wie viel – drei Kinder?«
Sauls Herz begann zu rasen. Oh Scheiße, oh Scheiße, oh Scheiße – das hier war keine zwanglose Plauderei über alte Zeiten. »Ja, drei.«
»Cool. Mann, ich möchte dir ein paar Freunde von mir vorstellen. Das hier ist Zulah.«
Die Frau nickte ihm mürrisch zu; die Glasperlen in ihren Rastalocken stießen klickend gegeneinander, als sie den Kopf bewegte. Saul konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor jemanden mit so schwarzer Haut gesehen zu haben. Er vermutete, dass die Pigmentierung verstärkt worden war, es wirkte wie eine Tarnkleidung. Auf jeden Fall eine Aussage.
»Und das hier–«, begann Duren stolz.
»Zebediah North«, vollendete Saul den Satz. »Sehr erfreut, Sie zu sehen.«
»Mr Howard, ich habe von Bruder Duren eine Menge über Sie gehört.«
»Oje«, sagte er im leichten Tonfall des Alte-Kumpel-machen-immer-Witze-Stils. »Es ist alles nicht wahr.«
»Das wäre ein Jammer.«
»Kommen Sie rein und setzen Sie sich«, sagte Sid. »Wir haben hinten ein bisschen Tee.«
»Sie sind sehr freundlich«, sagte Zebediah.
»Verschließen Sie die Tür«, sagte Zulah, als sie an ihm vorbeiging und dafür sorgte, als Erste im Hinterzimmer zu sein.
Duren zuckte angesichts ihres Verhaltens übertrieben mit den Schultern. Saul wies das Smartnet an, den Laden zu schließen, und ging ins Hinterzimmer, während er sich wünschte, dass das unangenehme Gefühl der Verdammnis nur seinem Alter und seiner Paranoia zuzuschreiben war. Aber … Zebediah North!
Er war der einzige North, der jemals gegen seine Familie rebelliert hatte – und sich wirkungsvoll gegen sich selbst und alles, was die Norths zustande gebracht hatten, gewandt hatte. Er hatte alles abgelehnt: die Firma, seinen toten Vater, die Brüder, Cousins, den Reichtum, sogar seinen Namen. Saul konnte sich nicht erinnern, wie er gelautet hatte, aber er war als ein 2er geboren worden, einer von Bartrams Söhnen. Sein Ein-Mann-Aufstand hatte gleich nach dem Blutbad begonnen. Alle hatten damals darüber gesprochen, dass das Ereignis ihn aus der Bahn geworfen haben musste. Er hatte über das Transnet Nachrichten verbreitet, wie falsch die »Besetzung« St Libras durch die Menschen war, und dass er diese Nachricht zu den richtigen Leuten bringen, sie über ihre Fehler informieren würde. Im Laufe der nächsten paar Jahre, während er als wanderndes Orakel durch die Independencys gereist war, hatte er seine Botschaft modifiziert und abgemildert, und den Leuten beigebracht, wie sie in Harmonie mit ihrer adoptierten Welt leben konnten. Nämlich in erster Linie, indem sie Northumberland Interstellar von St Libra vertrieben und die Algenfelder herausrissen.
Zulah untersuchte die 3D-Printer, was Saul nervös machte. Aber ihr zu sagen, dass sie aufhören sollte, würde bedeuten, dass er ein Thema aus der Sache machte, und so weit war er noch nicht.
»Also, bist du noch aktiv?«, fragte Duren in seinem zwingenden Flüsterton.
»Nein. Aber das weißt du ja schon.« Eine Weile hatte Saul mit den frisch gebackenen oppositionellen politischen Gruppierungen von Abellia zu tun gehabt. Es gab davon nicht viele. Immerhin war Bartram ein
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