Der unsichtbare Killer
–«
Draußen auf dem Flur kam es zu einem weiteren raschen Austausch von wüsten Beschimpfungen, als Zara aus dem Badezimmer huschte und William hinein.
»Es ist ihr erster Tag nach der Pause«, sagte Jacinta. »Willst du sie etwa allein gehen lassen? Bei dem Wetter? Was ist das denn für ein Vater?«
»Es ist ja nicht so, als ob sie gerade dort anfangen würden.« Sid wusste, worauf die ganze Sache hinauslief, und sie wusste es auch. Es war lediglich die Frage, wer zuerst einknickte.
Er … natürlich.
»Kannst du nicht Debra anrufen?«
Sie warf die Hände in die Luft. »Demnächst kriegen wir von ihr noch ’ne Rechnung präsentiert. Sie ist zurzeit fast so was wie ein Taxidienst für unsere Kinder.«
»Machen wir für ihre doch auch.«
»Ja, wenn es ein Monat mit einem W drin ist.«
Er sah sie mit seinem Hart-am-Rand-der-Verzweiflung -Blick an. Denn damit ließ sich, selbst wenn man elf Jahre verheiratet war, noch so manches bewirken.
»Okay, okay, ich ruf an«, sagte Jacinta seufzend. »Wo du ja so große Angst vor ihr hast.«
»Ich hab keine –«
»Aber wir müssen sie demnächst mal zum Essen einladen. Um uns zu bedanken und so.«
»Oh nein, einen ganzen Abend lang John? Wenn Langweiligsein ein Sport wär’, könnte er locker die Trans-Space-Meisterschaften gewinnen.«
»Bringst du sie zur Schule, oder willst du, dass ich anrufe?«
Sid knurrte und schüttelte heftig den Kopf. »Ruf an.«
Selbst jetzt noch, wo Will acht und Zara sechs Jahre alt waren, konnte Sid sich schwer daran gewöhnen, die beiden in ihren Schuluniformen zu sehen. Sie waren doch fast noch Babys, viel zu klein, um jeden Tag aus dem Haus gezerrt zu werden. Dennoch saßen sie jetzt dort am Frühstückstisch, unglaublich adrett anzusehen in ihren dunkelroten Pullis und blauen Hemden, fast wie miniaturisierte Erwachsene.
Sid begab sich daran, das Porridge zu machen. Sorgfältig prüfte er die Gütesiegel, bevor er die Packungen öffnete. Es hatte auf der Wache Gerede gegeben über Hersteller, in deren Fertigungsbetriebe sich sporadisch immer mal wieder Sonderposten verirrten, die sie auf irgendwelchen Koloniewelten eingekauft hatten, auf denen biologische Kontrollen quasi nicht existent waren und Mammon das Maß aller Dinge. Nichts, worüber man jemals etwas in den amtlichen Nachrichten erfahren würde.
»Warum fährt uns Debra heute Morgen zur Schule?«, wollte Zara wissen, während Jacinta versuchte, mit der Bürste so etwas wie Ordnung in die langen Haare ihrer Tochter zu bringen.
»Wir beide haben zu viel zu tun, Schatz. Tut mir leid«, erklärte ihr Sid. In dem Topf auf dem Induktionskochfeld begann es zu heftig zu brodeln, also schaltete er das Feld auf geringe Hitze herunter und setzte den Timer auf sieben Minuten.
»Arbeitest du wieder, Dad?«, fragte Will mit ernster Kindermiene.
»Ja, ich arbeite wieder.«
»Dann können wir es uns jetzt leisten umzuziehen?«
Sid wechselte einen Blick mit Jacinta. »Wir denken wieder darüber nach.« Sie wohnten jetzt seit fünf Jahren in dem Vierzimmerhaus in Walkergate. Ein schönes Haus eigentlich, aber leider alt und daher nicht für die heutigen kalten Winter konzipiert, weshalb es ein Vermögen kostete, es zu heizen. Nur ein Bad zu haben war eine Qual, und das Zone-Zimmer musste gleichzeitig als Essbereich dienen. Dann waren da noch die Nachbarn, die so ihre Bedenken dagegen hatten, einen Polizisten in der Straße zu wissen.
»Und was ist mit der Schule?«, protestierte Zara. »Alle meine Freundinnen sind da. Ich will nicht von hier weg.«
»Ihr bleibt an der gleichen Schule«, versicherte ihr Sid. Immerhin war es eine private, die einen ziemlichen Batzen seiner Bezüge verschlang und der Hauptgrund dafür war, dass er sich trotz des damit verbundenen Risikos die eine oder andere zusätzliche Nebeneinnahmequelle erschlossen hatte. Aber niemand schickte, wenn er eine irgendwie machbare Alternative besaß, sein Kind auf eine öffentliche Schule.
»Tatsächlich hab ich gestern Abend sogar was gefunden«, sagte Jacinta. »Ich hab mal ein bisschen in den Immobilienangeboten gestöbert.«
»Ach ja?« Das war neu für Sid. Er nippte an seinem Kaffeebecher. Die Smartcells in seinem Mund registrierten das Koffein und klatschten ihm prompt eine Gesundheitswarnung in sein Sichtfeld. Es war sein fester Vorsatz für das neue Jahr gewesen, sich besser zu ernähren und besser auf seine körperliche Fitness zu achten. Aber er hatte kaum geschlafen … Man musste die Kirche im Dorf
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