Der unsichtbare Killer
Schön zu wissen, dass du so viel Vertrauen in mich hast.«
»Du willst den Fall nicht«, sagte sie voller Ernst. »Nicht diesen. Lass ihn einen von O’Roukes Speichelleckern übernehmen.«
»Ja, vielleicht sollte ich das.«
Sie gingen wieder in das Hauptbüro hinaus. Gerade war Eva Sealand hereingekommen, ihres Zeichens leitender Constable mit dem Spezialgebiet visuelle Interpretation. Vor achtzehn Monaten war sie von Leicester hierher versetzt worden, und Sid hatte mit ihr sporadisch zusammengearbeitet, seit sie in Newcastle angefangen hatte. Sie war eine rothaarige isländische Frohnatur mit drei Kindern und einem Mann, der bei einer Art Firmenverbund irgendeinen Verwaltungsjob machte; was genau, hatte Sid nie wirklich verstanden.
»Ich hätte da heute ein bisschen Arbeit für Sie«, sagte Sid zu ihr. »Könnte auch etwas mehr werden.«
Grinsend strich sie sich das Haar zurück und zwirbelte es durch ein Gummiband hindurch. »Hab’s gerade gehört«, erwiderte sie leise. »Ist das echt wahr? Ein North?«
»Ich war dort, als sie ihn letzte Nacht aus dem Tyne geholt haben.«
»Wen haben Sie sonst noch bekommen?«
»Lorelle sollte jeden Augenblick hier sein. Ich hab ein paar zusätzliche Leute beantragt und denke, dass unser Team im Verlaufe des Tages noch anwachsen wird.«
Eva beugte sich näher zu ihm. »Bleiben Sie dabei?«
»Dobson übernimmt den Fall wohl«, gab er murmelnd zurück.
Seine Hauptsorge war im Augenblick, ob noch irgendjemand übrig sein würde, um ihm bei seinen anderen Fällen zu helfen, nachdem O’Rouke ihn wieder seinen normalen Aufgaben zugeteilt hatte. »Aber ich sag Ihnen, Schätzchen, diese Sache hier dürfte einiges an Überstunden mit sich bringen, meinen Sie –« Er unterbrach sich mitten im Satz und starrte verblüfft auf die beiden Beamten, die soeben hereinspaziert waren. »Auch das noch, Mann«, ächzte er.
Northumberland Interstellar besaß kein Monopol darauf, 2Norths zu beschäftigen. In Anbetracht der Persönlichkeit, die Kane so unbedingt zu duplizieren getrachtet hatte, konnte jene von ihm insbesondere geschätzte Charaktereigenschaft – seine Entschlossenheit – die Klone in zwei Richtungen führen: Entweder sie marschierten schnurstracks ab in das Familienunternehmen, begierig darauf, es an den verschiedensten Fronten weiter voranzubringen – finanziell, industriell, politisch, rechtlich –, und bereit, in der Folge als jüngere Versionen von ihm in den diversen Abteilungen die Chefpositionen einzunehmen; oder aber sie zogen auf eigene Faust los, gleichermaßen entschlossen, um zu beweisen, dass sie, um vorwärtszukommen, die Familie nicht brauchten. Der zweite Typus war in der Minderheit und neigte tendenziell dazu, Firmen zu gründen, deren Geschäfte parallel liefen zu den Interessen von Northumberland Interstellar. Eine noch kleinere Minderheit ging in den Staatsdienst. Genau genommen wusste Sid nur von zweien: Abner 2North und Ari 2North, und die standen in diesem Moment in der Eingangstür von Office3 und schauten sich erwartungsvoll um.
Abner war der ältere von beiden, etwa Ende vierzig, und hatte es inzwischen zum Detective zweiten Grades gebracht, Spezialgebiet kriminaltechnische Untersuchungen. Sid hatte in den letzten zehn Jahren ein paarmal mit ihm zusammengearbeitet und ihn als einen äußerst brauchbaren Beamten kennengelernt, ganz egal, welchem Fall sie zugeteilt worden waren. Der Umstand, dass Abner einen gehobenen Dienstrang erreicht hatte, war auf der Wache Anlass zu den wildesten und langlebigsten Spekulationen gewesen; welche Beweggründe außer Politik, so der Grundtenor, konnte ein 2North schon haben, sich der Polizei anzuschließen. Sid hatte sich darüber wenig Gedanken gemacht – es war das Ergebnis, was in diesem Spiel zählte, und Abner konnte eine respektable Erfolgsquote vorweisen. Ari war vielleicht zwölf Jahre jünger als er, immer noch Senior Detective in der Datenverwaltungslaufbahn und nicht weniger tüchtig. Es gab nicht viele Möglichkeiten, sie voneinander zu unterscheiden. Die hin und wieder ungleiche Haarlänge war eine kleine Hilfe; Norths besaßen durch die Bank dunkles, mausbraunes Haar, das erst mit gut über fünfzig die ersten Ansätze von Grau zeigte und dessen Locken sich der bändigenden Eigenschaften jedweden Kosmetikprodukts stur widersetzten. Aber sie trugen es alle vorzugsweise kurz geschnitten, was es nicht unbedingt einfacher machte, sie auseinanderzuhalten. Auch die Gesichtszüge konnten das Problem
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