Der unsichtbare Killer
waren, denn er fuhr auf Mädchen ab, die ernsthaft daran interessiert waren, in Form zu bleiben. Dank der anhänglichen Jen war es nach zehn Uhr, als er bei Harley’s Fitness Maschine ankam, das sich oben in Jesmond auf der St George Terrace befand. Im Hauptsaal gab es eine ordentliche Bandbreite von Geräten und Smartdust-Packs, die mit einem Standard-Bodymesh mithalten konnten und an dessen Stelle Herzschlag, Sauerstoffverbrauch und Muskelaktivität aufzeichneten. Ian brauchte diese Packs nicht, da er bereits eine beträchtliche Anzahl Smartcells besaß, die beständig über jeden Gesundheitsaspekt seines Körpers wachten.
Er absolvierte ein neunzig-minütiges Workout. Dabei verband er sein Bodymesh mit den Geräten und sorgte so dafür, dass die volle Kapazität der Muskeln genutzt wurde, ohne dass Sehnen und Bänder Gefahr liefen zu reißen. Wasserhaushalt, Blutzucker, Gifte und Endorphine wurden in einem simplen vielfarbigen Graphen projiziert, dessen Sinuswellen auf komplizierte Weise über sein Raster tanzten. Die Muster waren ihm mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen; er konnte sie lesen und das Tempo seiner Bewegungen auf fast autonome Weise anpassen. Am Ende bat er um eine vollständige physiologische Analyse, um sich zu vergewissern, dass sein Körperfett auf das erlaubte Minimum heruntergegangen war. Sid und Eva waren am Abend länger geblieben als erwartet, und er hatte ein paar Bier mehr getrunken als geplant. Als er sich seines Six-Packs wieder sicher war, ging er zur Dusche.
Zwei Mädchen trugen sich gerade ein, als er die Umkleideräume verließ. Joyce, die so dünn war wie eine Marathon-Läuferin und auch genauso groß, erkundigte sich bei der Frau an der Anmelde nach dem Mittags-Disco-Workout.
»Klar, Mann, das habe ich verpasst«, beklagte Ian sich in schnoddriger Bestürzung.
Joyce lächelte zurück, und sie begannen zu flirten, indem sie über ihre Lieblingsgeräte im Fitness-Studio und die Joggingstrecken in der Stadt sprachen. Sie war Tänzerin bei der Sage-Tour-Gruppe, wie er herausfand. Ihre Freundin Sammi wurde mürrisch, als Ian ihnen sagte, dass er Polizist war. Ein richtiger Polizist, nicht einer von der Agency, versicherte er. Es hatte auf ihre üble Laune keinen Einfluss. Ihm gefiel das, eine Herausforderung machte den Erfolg nur umso süßer. Er wünschte beiden eine gute Zeit beim Disco-Workout und nahm die Metro zurück zum Monument.
Ians Schicht fing mittags an. Er ging in den Umkleideraum und zog seine Uniform an. Sid war ebenfalls da und kleidete sich um. Sie hatten die gleichen dunkelgrünen Umhängetaschen, und als ihre nebeneinander liegenden Spinde offen waren, tauschten sie sie aus wie zwei Dealer, die in einem Club voller Promis arbeiteten.
Es war in diesen Tagen mühsam, ins Office3 zu gehen. Ian und Sid hatten einige Zeit damit verbracht, darüber zu reden, was sie gegen die Niedergeschlagenheit tun konnten, die sich in dem mit dem Fall betrauten Team ausbreitete. Sie waren auf keine gute Strategie gekommen. Die Rückverfolgung der Taxis ging immer noch weiter – und blieb fruchtlos –, und so ganz allmählich glaubten alle, dass die Idee an sich die reinste Zeitverschwendung war. Welch ein Unterschied zu der vor Aufregung knisternden Stimmung, als die Stadt-Simulation zum ersten Mal gelaufen war. Jetzt war es nur noch eine mühsame Routine, die sie abends und an den Wochenenden in Überstunden absolvierten.
Ian saß hinter seinem Tisch und wartete, während der Konsolen-Bildschirm sich um ihn herum krümmte. Glitzerndes Laserlicht synchronisierte und erzeugte scharfe 3D-Bilder. Wieder rief er den Marcus-Ansetal-Fall auf. Seine E-I lud eine kleine Akte in das Büro-Netzwerk; sie war als seine Wiedervorlage der Ermittlung verschlüsselt und verkündete offiziell, dass alle Recherchemöglichkeiten verfolgt und ausgeschöpft worden waren. Er zertifizierte den Fall als geschlossen, aber als seine virtuelle Hand nach dem Program-Status-Icon griff, flippte er ihn auf inaktiv. Die Datei schrumpfte ins Netzwerk zurück, wurde jedoch nicht geschlossen. Ian rief den North-Fall auf und ließ einen kurzen Überblick laufen. Nichts Neues. Natürlich nicht.
Er schloss die Konsole und ging hinunter zum Immersionstheater im zweiten Stock, wo Abner, Lorelle und Reannha einen miserablen Samstagnachmittag verbrachten. Er unterstützte sie dabei, Taxi Nummer einhundertundsechzehn zurückzuverfolgen.
Um sechs Uhr dreißig ging er wieder, reichte Taxi Nummer
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