Der unsichtbare Killer
sie in diesem wesentlichen Punkt immer noch nicht weitergekommen waren, machte ihn mittlerweile nachgerade wütend. In Anbetracht eines solch prominenten Opfers warf dies nicht gerade das beste Licht auf ihn und sein Team. Und verdammt noch mal, es war ein gutes Team.
»Wir brauchen sie«, sagte Jenson mit gedämpfter Stimme.
»Ja, da bin ich schon selbst drauf gekommen. Danke, Mann.«
Eine Viertelstunde darauf brach Sid zum städtischen Leichenschauhaus auf, das in einem modernen Anbau an die Glas- und Stahltürme des Arevalo Medical’s Royal Victoria Infirmary untergebracht war.
Als er auf den Parkplatz neben dem Trakt der Gerichtsmedizin abbog, sah Sid Aushangschilder, die darauf hinwiesen, dass das Abstellen von Fahrzeugen hier in zwei Monaten nicht mehr möglich sein würde, da dann die Ausschachtarbeiten für das Fundament der neuen onkologischen Klinik begönnen. »Und wo sollen wir dann bitteschön parken?«, brummte er in sich hinein, während er über den knirschenden Schnee stapfte und auf die warme Lobby zuhielt.
Trotz all der modernen Linien und des gut erhaltenen Interieurs wirkte das Leichenschauhaus auf ihn stets deprimierend. Er hatte schon vor Jahren den Überblick darüber verloren, wie viele trauernde Eltern, Lebenspartner und Familienangehörige er hier hineineskortiert hatte, damit sie eine Leiche identifizierten. Glücklicherweise befand sich heute niemand in dem Vorraum, auf den diese bittere Pflicht wartete, obwohl die kleine Gruppe, die neben dem Empfangsschalter stand, fast genauso abschreckend war.
Chloe Healy wandte sich von den beiden Männern ab, mit denen sie gerade sprach. »Detective Hurst, dies ist Aldred North«, sagte sie.
Aldred gab Sid die Hand und zeigte ein professionelles Lächeln. »Sicherheitschef Northumberland Interstellar.« Er befand sich in seinen späten Vierzigern und trug einen Anzug und Mantel, die locker um die achttausend Eurofranc gekostet haben mussten; eine schlichte Demonstration, wie weit oben der Mann in der Hierarchie des Unternehmens rangierte, woraus wiederum jeder schließen konnte, dass er einen 2North vor sich haben musste. »Tut mir leid, aber offiziell bin ich in dem Fall Ihr Anhängsel von der Versicherung. Hoffe, das macht Ihnen nichts aus. Ich versuche, mich so weit im Hintergrund zu halten wie möglich.«
Sid sah ihn mit gleichgültigem Blick an, nicht wenig stolz darauf, dass es ihm gelang, in solch vollendeter Weise die Fassung zu bewahren. Chloe ist hundertprozentig darüber informiert. Sie ist O’Roukes Geschöpf, es geht gar nicht anders. »Kein Problem, Sir. Ich bedaure nur, dass dies überhaupt geschehen musste.«
»Danke. Und dies ist Dr. Fransun, unser leitender Betriebsarzt.«
»Doktor.« Sid schüttelte Fransuns Hand, wobei ihm auffiel, wie nervös der Mann war. Aber andererseits war es der Bruder/Sohn seines Bosses, der in der vergangenen Nacht ermordet worden war, da war das durchaus verständlich.
»Wissen wir schon, wer es ist?«, fragte Aldred.
Aus dem Augenwinkel heraus sah Sid, wie Chloe zusammenzuckte. »Noch nicht, nein. Und das ist für sich betrachtet schon interessant.«
»Inwiefern?«
»Wer immer den Mord begangen hat, wusste genau, was er tat. Der Mangel an Fakten in diesem Fall deutet darauf hin, dass wir es mit einem Profi zu tun haben, mit jemandem, der weiß, wie man Dinge verschleiert und uns damit die Arbeit so schwer macht, wie’s geht.«
»Sie meinen, jemand hat einen Killer auf ihn angesetzt?«
»Solange wir nicht wissen, wer er ist, und über ein paar Hintergrundinformationen verfügen, können wir hinsichtlich möglicher Gründe, warum er umgebracht wurde, nur spekulieren. Ist Ihnen bekannt, ob in letzter Zeit irgendein Mitglied Ihrer Familie bedroht worden ist?«
»Außer von den üblichen Spinnern? Nein, nicht, dass ich wüsste.«
»Nun gut, sollte Ihnen irgendetwas zu Ohren kommen …«
»Auf jeden Fall.«
In dem Moment betrat der städtische Chief Coroner den Vorraum, um sie zu begrüßen. »So, Sie können jetzt ganz über mich verfügen«, verkündete er feierlich.
»Dann bin ich mal wieder auf der Wache«, sagte Chloe. »Halten Sie mich auf dem Laufenden, Detective.«
Sid setzte sein falschestes Lächeln auf. »Selbstverständlich«, erwiderte er.
»Und? Wie geht’s O’Rouke?«, fragte Aldred, während sie den Flur zum Untersuchungsraum entlangschritten.
»Ich glaube, er hat etwas von Ergebnissen, die er sehen will, erwähnt.«
Aldred schnaubte säuerlich. »Meine Familie
Weitere Kostenlose Bücher