Der unsichtbare Killer
herbestellen würde. »Sobald wir genau wissen, was wir gelagert haben, wird es uns besser gehen«, sagte Angela. »Aber wir haben bestimmt ausreichend Nahrung für ein paar Monate. Besonders wenn man das Nähr-Gelee mitzählt.«
»Oh, zum Teufel, Mädchen.« Atyeo verzog das Gesicht. »Hast du diesen Scheiß denn mal probiert?«
»Nein. Ist es schlimm?«
»Ganz gleich, mit welcher Mischung man es anrührt, es schmeckt immer wie Gries, in den jemand reingepisst hat.«
»Danke für die bildliche Vorstellung«, sagte Angela zu ihm. »Und, habt ihr da draußen irgendwas gesehen?«
»Nichts«, antwortete Paresh. »Es zeigt sich nicht. Aber früher oder später werden wir den Bastard finden.« Er klopfte auf seinen Karabiner. »Und wenn es so weit ist, wird es ihm leidtun.«
Angela wollte ihm sagen, wie kindisch er war, wie dumm es war, sich darauf zu verlassen, dass er die größte Kanone hatte, aber sie hielt sich zurück. Sie würde hier nicht die Zicke spielen, denn es hing zu viel davon ab, dass die Legionäre auf ihrer Seite standen. »Seid einfach vorsichtig da draußen.«
Drüben bei den Paletten ertönte ein scharfes Klicken.
Auch die Legionäre hörten es. Paresh sah sich um. Alle hoben ihre Karabiner.
Klick. Klick.
»Was zum Teufel …«
Etwas stach Angela an der Wange. »Au!« Automatisch hob sie die Hand, ein Reflex, als wolle sie eine Wespe vertreiben. Aber auf St Libra gab es keine Insekten. Dann flimmerte etwas in ihrem Sichtfeld auf, ehe es mit einem Klicken von ihrer Panzerweste abprallte. Sie stellte ihr Raster ganz aus.
Das vereinzelte Klicken verwischte zu einem endlosen Klappern. Verwundert starrte Angela ein kleines weißes Kügelchen an, das direkt vor ihr von Pareshs Panzer abprallte. Etwas stach sie am Handrücken. Dann wurde sie wieder am Kopf getroffen. Sie wusste, woraus das Kügelchen war, sie weigerte sich nur, es zu akzeptieren. Das kann es auf St Libra nicht geben. Aber auf dem schlammigen Boden um sie herum lagen schon Dutzende, und mit jeder Sekunde fielen weitere. Als wolle er das Omen unterstreichen, begann der Wind stärker zu wehen.
Wie hypnotisiert beugte sich Josh vor, um eines der weißen Kügelchen aufzuheben. »Hagel?«, fragte er ungläubig.
Angela blickte nach oben. Was wirklich idiotisch war. Sie schrie auf, als weitere Hagelkörner ihr ungeschütztes Gesicht trafen. »Scheißdinger.« Der Himmel über ihnen wurde noch dunkler; ein grauer Schleier glitt über die Fasern des Polarlichts, der sich Richtung Horizont verdüsterte. Während sie sich zum Schutz zusammenkauerte, konnte sie sehen, dass die Hagelkörner größer wurden. Alles auf St Libra ist größer. Eines traf sie im Nacken, so groß wie ein Kieselstein. »Aua.« Ihre E-I gab einen allgemeinen Alarm aus. Angela sah sich verzweifelt nach Deckung um. Die Zelte waren ein paar Hundert Meter entfernt. Und sie hatte plötzlich Bedenken, ob sie unter diesen Bedingungen viel Schutz bieten würden. Einer der selbstladenden Laster war am Ende der Palettenreihe geparkt.
»Kommt!«, brüllte sie und sprang auf, um zu dem Fahrzeug zu rennen. Die Legionäre liefen ihr nach, allerdings durch ihre Rüstungen verlangsamt. Der Klang der Hagelkörner, die sie trafen, verwandelte sie in klappernde, roboterartige Kreaturen. Dann war sie am Laster angelangt, ging darunter in Deckung und zog die Füße an, damit sie nicht ungeschützt blieben. Paresh und die beiden anderen kamen und krochen zu ihr unter die Zuflucht. Die Hagelkörner, die draußen fielen, waren inzwischen so groß wie Golfbälle, kamen hart auf dem Boden auf, prallten ab und ließen jene auseinanderstieben, die bereits im Schlamm lagen. Sie bedeckten den Boden, so weit das Auge reichte, und dampften dort leicht vor sich hin.
»Wie zum Teufel konnte das passieren?«, schrie Josh über den ununterbrochenen Lärm des Hagels hinweg.
»Auf Sirius gab es eine Rotverschiebung«, rief Angela zurück. »Das bedeutet, dass es kälter wird. St Libra fängt an, sich abzukühlen.«
»Du verarschst mich, richtig?«
»Sieht es so aus, als würde ich scherzen, verdammt noch mal?«
Dicht an sie gedrückt, einen Arm über ihren Schultern (als ob das helfen würde), warf ihr Paresh einen besorgten Blick zu. »Was wird noch passieren?«
»Ich weiß es nicht, ich bin kein gottverdammter Klimaforscher.« Wut war gut. Wut hielt sie davon ab, sich zu fürchten.
Die Sintflut endete nach zwanzig Minuten, als die Wolken nach Süden getrieben wurden. Abermals schien das bunte,
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