Der unsichtbare Killer
Dienst hinter sich gehabt, hätte er Colonel Elston gern erzählt, wie er seinen Konvoi bewegen sollte. Daher bewunderte er Karizma Wadhai wegen ihrer unverblümten rebellischen Haltung beinahe ebenso sehr, wie er sie dafür verachtete. Wenn man beim Militär diente, befolgte man Befehle; ohne diese Disziplin herrschte nur Chaos. Es war nicht so, als würde Elston absichtlich versuchen, alles zu versauen; niemand konnte diese Art Scheiße bekämpfen, die St Libra ihnen entgegenschleuderte, seit sie hier aufgetaucht waren. Aber Ravi war persönlich der Meinung, dass der Konvoi die Mutter aller schlechten Entscheidungen gewesen war. Und die Art und Weise, wie die Schwierigkeiten sich weiter verbreiteten, gefiel ihm ganz und gar nicht: Die Hälfte ihres Treibstoffs war weg, die Karten waren hoffnungslos ungenau und das Gelände konnte ihnen ohne jede Vorwarnung Hindernisse in den Weg legen.
»Ich hoffe, sie finden keinen Weg, der nach unten führt«, sagte er.
»Was soll das denn heißen?«, fragte Bastian North.
»Wenn wir nicht zum Dolce runterkommen, müssen wir umkehren. Selbst Elston wird das zugeben müssen.«
»Stimmt.«
Ravi und Bastian waren gemeinsam damit beschäftigt, die Fahrzeuge aufzutanken. Obwohl er einer der seltsamen North-Klone war, betrachtete Ravi Bastian als jemanden, der im Grunde ganz in Ordnung war. Ja, er zählte zum reichen Unternehmensmanagement, aber er hing jetzt hier draußen mit ihnen fest und packte mit an. Gerade eben hatten sie zusammen den dicken, dunklen Schlauch vom LKW-Schlitten zum Tropic-2 rübergezogen. Wie immer ließ er sich nicht so einfach entrollen, und sie mussten gemeinsam zu der großen Trommel zurückkehren, auf der er aufgewickelt war, um das Ding eigenhändig zu drehen und das Eis von den Halterungen zu kratzen. Das war nicht leicht, wenn man so viele verschiedene Kleidungsschichten übereinander trug wie sie. Die körperliche Anstrengung brachte Ravi zum Schwitzen. Danach mussten sie einige Zeit einfach nur dastehen und warten, dass der Tank voll wurde. Dabei kühlte er wieder ab, und ein Teil seines Schweißes begann zu vereisen und zu scheuern.
Das Treibstofficon in Ravis Koordinatennetz blitzte grün auf und teilte ihm mit, dass der Tank voll war. Er wies seine E-I an, die Pumpe auf dem Schlitten abzustellen. Bastian löste die Schlauchkupplung, und sie setzten den Tankdeckel des Tropics wieder auf.
»Nur noch Tropic-3«, sagte Bastian. »Dann können wir reingehen und uns was Heißes gönnen.«
»Wenn noch was übrig ist«, brummte Ravi.
Sie packten beide den Schlauch und zogen ihn durch den Schnee zum Tropic-3. Ravi konnte gerade noch die Scheinwerferlichter ausmachen. Schneefall im Nebel war eine sehr eigenartige Kombination. Das ging nur auf St Libra, dachte er. Es würde zweifellos nur eine Frage der Zeit sein, bevor die Blitze kamen.
In seinem Koordinatennetz sah er, dass Forster Wardele und Leora Fawks – das andere Team, das mit Auftanken beschäftigt war – beim Biolab-2 standen. Jay und Raddon verteilten Essensrationen, und inzwischen waren es wirklich Rationen, denn es gab nur noch eine Hauptmahlzeit pro Tag. Lieutenant Botin und Atyeo waren auf Patrouille; sie sollten ihnen Schutz gewähren, falls die Kreatur angriff. Nicht, dass man sich darauf sehr viel einbilden konnte, aber es war besser als nichts.
Ravi winkte Winn Melia und Omar Mihambo zu, die im Tropic-3 saßen und darauf warteten, dass sie mit dem Auftanken fertig wurden. Sie grinsten durch die beschlagenen Fensterscheiben und zeigten ihm den nach oben weisenden Daumen. Omar nahm schadenfroh lächelnd einen Becher aus der Mikrowelle. Die drei Paar Handschuhe, die Ravi übereinandertrug, verhinderten, dass er ihm einen Stinkefinger zeigte.
Oben auf dem Dach des Tropics sammelte sich Schnee auf dem Lauf des fernbedienbaren MGs, das gleichmäßig hin und her schwenkte. Ravi fragte sich, wie gut die Sensoren bei so starkem Schneefall überhaupt noch funktionieren konnten. Dass es so heftig schneite, beunruhigte ihn. Für die Kreatur war es die perfekte Deckung. Er tastete noch einmal nach seinem Holster, prüfte, ob es geöffnet und der Folkling-Karabiner nicht eingefroren war, was bei dieser Witterung nur zu leicht passieren konnte.
Bastian entfernte die Tankkappe des Tropics, und sie setzten die Schlauchverbindung auf. Ravis E-I verband sich mit dem Netz des Tropics. Der Tank war kaum noch ein Viertel voll. Seine E-I wies die Pumpe auf dem Schlitten an, ihre Arbeit aufzunehmen.
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