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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Ein Fall für die Grünen Kyberneten.
»Und wenn ich Sie bitten würde, mir zu glauben?« fragte der Alte. »Mir kann nur helfen, wer mir ohne Mißtrauen glaubt.« Er streckte bittend seine Arme aus.
»Schluß mit dem Theater!« rief Randaik. »Sie haben unser Leben bedroht, haben unsere Menschenwürde beschmutzt. Jetzt wenden wir uns an das Institut. Man wird Sie zu finden wissen und zur Verantwortung ziehen.« Er griff nach Sophias Hand. »Komm, es ist sinnlos, zu bleiben.«
Sie schreckte aus ihrer Versunkenheit auf und schüttelte den Kopf. Er mißverstand den Ausdruck ihrer Augen und wollte schützend den Arm um sie legen. Da eilte sie an ihm vorbei zur Tür.
»Bleiben Sie!« rief der Alte.
Randaik wandte sich um. Er hatte die Vorstellung, seinen Körper zwischen Sophia und etwas Bedrohendes schieben zu müssen. Sein Gesicht war verschlossen vor Ablehnung.
»Ich bedaure Sie«, sagte der Alte leise. »Sie kann nichts mehr überraschen.« Seine Gestalt begann zu verblassen, bis sie sich in faserigen Dunst auflöste. Wie aus einer Schlucht tönten die Worte: »O ja, ich merke es wohl, ich muß auf eine andere Zeit warten. Verzeihen Sie mir, ich wollte Sie nicht mit meinen Sorgen belästigen.«
»Und stellen Sie sofort den Unfug ein!« rief Randaik ihm nach. Doch er erhielt keine Antwort. Ein Seufzen wehte, aus der Ferne kommend, an ihnen vorüber.
Schweigend ging Sophia neben Randaik. Sie hatten sich Decken über die Schultern gehängt. Auf dem Gang war es noch kälter geworden.
Randaik wollte Sophia stützen. Doch in seinem Arm fühlte sie sich leblos an wie eine Puppe. Ihre Abwehr war unbegreiflich und lähmte ihn.
Sie erreichten den Aufzug und betraten mißtrauisch die Platte. Doch wie befohlen, schwebte sie aufwärts.
Sie sahen sich nicht an. Eine unsichtbare Kreatur hockte zwischen ihnen. Geräuschlos glitt die Wand des Schachtes vorüber.
Randaik war froh, als sie über sich die Stimmen der Freunde vernahmen. Langsam hob die Platte sie auf das Niveau ihrer Etage. Die sechs Menschen waren das einzig Vertraute in dieser Nacht.
Ein Aufschrei des Entsetzens schlug ihnen entgegen. Halt suchend, klammerte sich Randaik an die Kante des Ausstiegs.
Vor ihnen stand eine Gruppe zitternder Greise.
Der beleibte Alte dort mochte Volmar sein, jener mit dem ausgebleichten, schütteren Schnurrbart Gonzales. Lewis, noch dürrer als gewohnt, gebeugt von der Last mysteriöser Jahre. Wann hatte er sie gelebt? Troels, eingeschrumpft in allen Dimensionen, mit kahlem, bleichem Schädel, das Weiß der Augen gelblich vor Alter.
Wem galt der Entsetzensschrei? Randaik sah verwirrt zu Sophia hinüber.
Es war noch zu erkennen, daß sie einst schön gewesen war. Ihre Augen hatten noch die aufmerksame Frische, der Mund, wenngleich nicht mehr so rot, hatte seine temperamentvolle Schwingung behalten. Doch als Ausweis erlebter Jahre glitt die Linie zu den Winkeln leicht abwärts.
Randaik wagte nicht, an sich zu denken. Unwillkürlich musterte er die Hand, welche die Decken für die Kameraden hielt. Sie war faltig vor Alter. Aus der blassen, gelben Haut traten knotige Adern.
Was war mit ihnen geschehen?
Mit verstörtem Blick näherte sich Randaik den Freunden, übergab ihnen die Decken. Eine schwache Geste forderte Sophia auf, ihm zu folgen.
Die Stimme der Greisin klang brüchig. Sie lehnte Randaiks Aufforderung ab und blieb in der Mitte der Plattform stehen.
»Was willst du denn?« Randaiks Worte klangen müde.
»Ich werde den Alten suchen.«
»Das ist Irrsinn!« schrie Randaik. »Er ist ein Verbrecher!« Er schüttelte die dürre Faust. »Das hier haben wir ihm zu verdanken.«
»Hast du noch immer nicht begriffen?« Sophia neigte traurig den Kopf zur Seite. »Hinter ihm verbirgt sich ein Geheimnis. Sein Leid ist unser Leid geworden. Willst du es nicht sehen? Er braucht Hilfe. Ich glaube ihm.«
»Denkst du nicht an mich?« fragte er tonlos. »Du bist meine Frau, du darfst mich nicht verlassen.« Er drohte ihr schalkhaft. »Stets hast du deinen Schabernack mit mir getrieben, in all den Jahren, seitdem wir verheiratet sind. Immer wieder bin ich darauf reingefallen. Selbst die Kinder schütteln den Kopf über meine Langmut. Es ist eben, weil ich dich liebe.« Die fünfzig Jahre ihrer Ehe kamen ihm wie ein winziger Augenblick vor. Wie schnell die Zeit vergangen war. Eben erst hatte er sie im Keller zum ersten Mal berührt.
Die Plattform begann zu sinken. Sophia wurde kleiner.
»Du hast lange gebraucht, es mir zu sagen, Randaik.«
Es war zu spät.

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