Der unsichtbare Kreis
Fußbelag glänzte feucht. Gleich dünnen Schlangen quoll aus unsichtbaren Ritzen Wasser. Fassungslos blieben sie aneinandergeschmiegt sitzen.
Das Wasser stieg. Innerhalb kurzer Zeit hatte es Kniehöhe erreicht. Sophia faßte Randaiks Hand. Er merkte, daß sie nur mit Mühe ihre Angst beherrschte.
Jetzt kam es auf ihn an. Er mußte ruhig bleiben. Das Gefühl, eingeschlossen zu sein, hatte für ihn nach jahrelangem Leben in Raumschiffen seinen Schrecken verloren. Überdies war draußen nicht der tödliche Weltraum. Er zwang sich, ruhig ihre Möglichkeiten zu überdenken.
Fast gleichzeitig sagten sie: »Die Lüftungsschächte.«
Langsam verloren sie den Boden unter den Füßen. Zum Glück war das Wasser lau. Eine viertel Stunde mußten sie schwimmen, dann waren sie dicht unter den Schächten.
Die Lüftungskanäle waren geräumig genug, um bequem hindurchzukriechen, doch der, den sie erreichten, wurde von einem eiskalten Luftstrom durchweht. Es war zu spät, umzukehren. Randaik ertastete die Bügel der Steigeleiter. Das Eisen war so kalt, daß seine Hände fast klebenblieben.
Immer schwieriger wurde der Aufstieg. Ihre Kleider überzogen sich mit einer Eisschicht und brachen knisternd. Erschöpft hielt Randaik inne. Sie zwängten sich nebeneinander. Ihre Körper waren kaum noch imstande, sich Wärme zu spenden.
Da drangen durch das Rauschen der Luft menschliche Laute zu ihnen.
Randaik hämmerte gegen die Wand. Sie riefen um Hilfe. Eine Weile rührte sich nichts. Dann vernahmen sie ein Schaben und Klirren von Metall auf Metall. Durch eine Ritze fiel ein schwacher Lichtstreifen.
Sie krochen durch eine Luke – und standen im Zimmer der Hotelchefin. Belebende Wärme drang in ihre erstarrten Glieder. Zu ihren Füßen bildete sich eine Wasserlache. Die Chefin und ihr Hauptingenieur lehnten mit schweißüberströmtem Gesicht in den Energiekissen.
Es dauerte eine Weile, bis Randaik und Sophia den glühheißen Hauch registrierten, den eine andere Kanalisation ins Zimmer blies. Die Kühle, die ihrem Schacht entströmte, verlor sich rasch. Die Technik schien aus allen Fugen zu sein.
»Wollen Sie uns bitte erklären, was hier vorgeht?«
Die Chefin und ihr Ingenieur wechselten einen Blick.
»Nichts von Belang.« Der Techniker zuckte mit den Schultern. »Eine Störung im Zentralkyberneten. Ich habe bereits Hilfe angefordert.«
»Belanglos nennen Sie das?« Sophia mäßigte ihre Stimme. »Unsere Freunde erfrieren fast, und wir wären im Keller beinahe ertrunken. Im Pumpenraum treibt sich seltsames Gesindel herum. Abenteuerliche Halluzinationen bringen einen an den Rand des Wahnsinns. Wir verlangen eine Erklärung!«
»Wir können Ihnen nicht mehr sagen«, erwiderte die Chefin kühl. »Versuchen Sie, die Nacht so gut wie möglich zu überstehen. Morgen früh ist der Schaden behoben. Nehmen Sie ein paar Decken mit. Gute Nacht.«
Randaik fixierte die Chefin. »Wer ist der Verrückte mit dem weißen Bart?«
Chefin und Ingenieur starrten ihn an. »Wir wissen nicht, wen Sie meinen. Wir kennen keinen Weißbärtigen.«
»Wir werden diesen empörenden Vorfall dem Harmonischen Institut melden«, sagte Sophia. »Hier werden Menschenleben bedroht.«
Sie ging zur Tür.
Randaik folgte ihr. »Wie Sie den I-Karten entnehmen konnten, ist unser Freund Lewis Mitarbeiter am Zentralinstitut für Harmonisches Zusammenleben.«
»Warten Sie!«
Randaik und Sophia verharrten an der Tür.
»Warum gleich das Institut?« rief der Ingenieur. »Wir haben keine Tiefenkontrolle nötig. Bei uns ist alles in Ordnung!«
»Begreifen Sie unsere Lage«, sagte die Chefin des Hotels. »Wir befinden uns im interstellaren Leistungsvergleich. Die Erde hat gegenüber den Alpha-Cephei-Sternen im vergangenen Jahr Punkte verloren. Als Touristenzentrum geben wir Boden auf. Wenn so eine Sache publik würde, könnten wir uns den Wanderpokal des Siebengestirns in den Rauch schreiben. Wir können uns keinen Skandal erlauben. Denken Sie als Erdenbürger.«
»Dann klären Sie uns endlich darüber auf, was hier gespielt wird.«
»Bitte!« Die Chefin des Hauses wies auf ein breites, perlmuttschimmerndes Energiekissen an der Wand.
»Es begann vor sechs Jahren. Nein, eigentlich schon während des Hotelbaus. Vor sieben Jahren brannte Glamis Castle, das alte Schloß aus dem elften Jahrhundert, ab. Wie alle alten Schlösser Schottlands stand es in dem Ruf, ein Gespensterschloß zu sein. Aber das nur am Rande, es ist selbstverständlich Unsinn.
Man beschloß also im Komitee für Moderne
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