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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Zeit…« Er hatte noch etwas hinzufügen wollen, bemerkte aber den Ausdruck in Lewis’ Gesicht und überlegte es sich anders. Schweigend versank er wieder in Nachdenklichkeit.
»Sie sehen mich erschüttert, Doktor«, sagte Volmar. »Ich fühle mit Ihnen. Verzeihen Sie die Frage: Warum soll das eine perfekte Falle sein? Haben Sie nie versucht, die Einstellung der Maschine zu ändern?«
McLaughams helle Augen blickten kühl und beherrscht, doch im Hintergrund verbarg sich eine tiefe Bitterkeit, als erblicke er nach Jahren der Blindheit zum ersten Mal seine eigene Häßlichkeit. »Ich komme gegen die Perfektion meiner Erfindung nicht an. Geschieht es nämlich, daß ein Tunnel umkippt, baut sich automatisch um den Betreffenden ein Schutzfeld auf, da er sonst innerhalb der Zeitgrube augenblicklich altern würde, bis er zu Staub zerfallen ist. Eben dieses Schutzfeld hindert mich, ins Zentrum meines Ereigniskegels vorzudringen. Das aber ist die Maschine.«
Sie schwiegen. Randaik blickte Sophia an und sah gleich wieder weg. Ihre Augen waren unbestimmbar gewesen, und er fragte sich, warum. Es mußte mit dem Alten zusammenhängen. Er sah sie wieder an und merkte, daß es Furcht war. Er nickte ihr zu. Ihre Spannung löste sich. Randaik spürte den heftigen Wunsch, sie zu berühren.
»Was wurde aus Brooke?« fragte Lewis.
»Er verschwand mit seiner Familie in der Zeit, tauchte irgendwo unter, in einer fernen Vergangenheit. Es war sein Glück, ich hätte ihn umgebracht.« McLaugham stützte den Kopf in die Hände. Die Erinnerung an die ersten Stunden voller Verzweiflung und Aufbegehren nahmen ihn gefangen. Seine Hände schienen zu schwach, den Kopf zu tragen. Das wenige Haar fiel nach vorn und bedeckte die knochigen Finger.
Niemand wagte die Stille zu zerstören. Ihre Blicke wichen einander aus. Beschämt suchten sie zu verbergen, daß ihre Trauer, ihr Mitgefühl der Tragik dieses Menschen unangemessen sein mußte. Sie empfanden sich als Wesen einer anderen Welt.
McLaugham richtete sich schließlich auf. Er streckte seine mageren Arme von sich und betrachtete, wie etwas unendlich Wertvolles, seine hilflosen Hände. Am rechten Ringfinger glänzte matt ein schmaler, goldener Reif. Gonzales füllte ihm das Glas. Er stürzte es in einem Zug hinunter. Als er fortfuhr, war seine Stimme wieder klar und fest. »Manchmal habe ich damals meine Frau besucht, nachts, wenn sie schlief. Sie sollte nicht wissen, daß ich noch lebte. Sie hätte es nur noch schwerer gehabt. Ich wollte es ihr ersparen. Ich sah zu, wie sie älter wurde – viermal schneller als ich –, wie ihre Hoffnung schwand. Die Kinder wuchsen heran. Schließlich zogen sie weg. Ich hörte nie wieder etwas von meiner Familie. Sie glaubten mich unwiderruflich in der Zeit verschollen.«
»Wo ist die Zeitmaschine?« Troels Sachlichkeit unterbrach abrupt alle sich anstauenden Äußerungen, alle diffusen oder eindeutigen Gefühle.
Der Alte deutete auf die Tür, durch die er den Raum betreten hatte.
»Woher bezieht sie ihre Energie?«
»Aus einem Nuklearblock.«
»Über Supraleiter?«
McLaugham nickte.
»Hör auf«, sagte Volmar. »Was soll das?«
»Du quälst ihn. Merkst du das nicht?« Randaik fand Troels’ Fragerei unpassend, seine Sachlichkeit unangebracht, obwohl er ein Bedürfnis dahinter ahnte.
Troels beachtete ihn nicht. »Wie kann man die Energiezufuhr unterbrechen?«
Der Alte war mit einemmal hellwach. »Sie haben mich verstanden. Ich brauche jemanden, der die Zeitmaschine ausschaltet.« Sein Blick streifte Sophia. Einen Moment lang war er voller Zärtlichkeit. »Als ich Ihrer Freundin meine Geschichte erzählte, kam sie auf die gleiche Idee. Sie hätte es sofort getan, doch es hätte irreversible Konsequenzen. Wer es tut, muß den Mut zu einer ungewöhnlichen Verantwortung haben.«
McLaugham blickte Sophia fest an. Sie wich ihm nicht aus.
Hinter der Ruhe ihrer Stimme schwang ein leiser Ton mit, der ihre Anstrengung verriet. »Ich tue es, ich habe keine Angst. Ich war nur allein.« Ihr Blick streifte Randaik.
Der erschrak, und die nächsten Worte des Alten bestätigten seine Ahnung.
»Ich bin ein lebender Leichnam. Dem Widersinn dieses Begriffs will ich ein Ende setzen. Ich habe mich für einen eindeutigen Status entschieden.« In seinen Worten lag wieder jene Ironie, die ihnen unverständlich war.
»Sie sollten damit nicht scherzen«, sagte Sophia böse.
»Er ist ein Zyniker«, sagte Lewis. »Ein Fall fürs Harmonische Institut.«
Der Alte blickte Sophia liebevoll an.

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