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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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gelang ihm ein Blick auf den Gegenstand des allgemeinen Interesses.
    Er zuckte zurück wir vor einem giftigen Insekt. Doch ein Hieb in den Rücken ließ ihn vorwärts taumeln. Er öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton hervor. Pochend schwollen seine Halsschlagadern.
    Zum Weiß der Wand bildete der Sitzende einen reizvollen Kontrast. Da ruhte es, sein Werk, das große, das unvollendete, genau so, wie er es in Savatskys Station zurückgelassen hatte, seine Kreation des kosmischen Kubismus.
    Er schluckte, die Bitterkeit des Schierlingsbechers auf der Zunge. Verschwommen, auffahrend aus Gewisper und Geflüster, drang die Stimme des Museumsführers an sein Ohr.
»Wir begeben uns nunmehr in den Schwarzen Saal…«
    Ein vielfaches Scharren umflutete ihn. Die Glieder gehorchten ihm nicht, die Stimme versagte den Dienst. Ohnmächtig starrte er auf die Statue.
Ein Nachzügler ergriff seinen Arm und drängte ihn sanft zu einer Bank. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Ich«, stammelte Grom, »Sie müssen wissen… ich habe… König Rahu hat es mir nicht bezahlt.« Sein Finger deutete zitternd auf das Monument. »Es gehört mir!«
Erschrocken ließ der Mann seinen Arm fahren und floh hinter dem Pulk der anderen her.
    Grom sank auf die Bank nieder. Von einer abnormen Heiterkeit gebeutelt, starrte er auf das Parkett zu seinen Füßen. Was für ein Narr war er gewesen, da er glaubte, klüger zu sein als Savatsky.
    Seine Gedanken übersprangen fünfundzwanzigtausend Jahre. Hatte sich Savatskys Wagnis gelohnt? Zögernd bejahte er die Frage. Aber die Antwort gab ihm keine Ruhe. War das, was der Alte suchte, auf der Erde unmöglich? Ein Leben lang arbeiten für eine Idee. Was hatte Savatsky daran gehindert, sie unter den Menschen zu verwirklichen?
    Savatsky? König Rahu! Er versuchte zu grinsen, aber es gelang ihm nicht mehr. Handelte es sich wirklich um eine naive Idee, war sie nicht eher groß oder vielmehr – edel? Welch ein seltsames Wort, und doch, es war der einzige Ausdruck, der auf den alten Sonderling zutraf.
    Ernüchternd stellte er sich der Erkenntnis: Er war der einzige Mensch, der dem wirklichen Savatsky ein Denkmal schaffen konnte. Nicht ein Gedanke erinnerte ihn an seine Auftraggeber.
Einen letzten Blick warf er auf den Koloß aus der Vergangenheit, und es war mehr als nur ein Abschied von Savatsky.

Havarie
    Die Explosion zerstörte das Heck des Transporters. Der Panzer wurde aufgerissen bis zu den mittleren Sektionen. Um diese Zeit brach der Funkkontakt zur Erde ab. Es war null Uhr einunddreißig Bordzeit. Sie befanden sich zwischen der Umlaufbahn des Pluto und der Neptunbahn.
    Gleich einem riesigen, gespaltenen Holzklotz wirbelte das Wrack, um sich selbst rotierend, durch den Raum. Wie von einer trägen Strömung getrieben, bewegte es sich hilflos auf die Sonne zu.
    Otis lag auf dem Rücken. Er richtete sich mit Hilfe der Kopfstütze auf und beobachtete die über den Bildschirm wandernde Sonne. Einige Sekunden lang starrte er auf den jämmerlich winzigen Fleck, dann schloß er enttäuscht die Augen wieder. Irgendwo da in der Schwärze waren Menschen. Die Verzweiflung stieg in ihm hoch. Er wollte nichts tun und nichts fühlen, er wollte frei sein von dem verfluchten Trieb zu leben, und er wünschte sich eine maßlose Gleichgültigkeit, ein schönes Dahindämmern.
    Seine Beine schmerzten nicht mehr. Sein Körper war leicht und frei. Wenn das Sterben so war, mochte es angenehm sein.
    Er lachte ein wenig; es klang wie der fahle Diskant eines Greises.
»Sollst dich hinlegen, das Sehen strengt an.«
Otis drehte den Kopf herum.
    Samuel saß auf seiner Koje. Seine Stimme hatte müde geklungen, ein wenig nervös.
Er mußte gerade erwacht sein, denn sein Haar stand borstig vom Schädel ab, und blinzelnd suchte er nach seiner Brille.
Durch die Gläser wirkten seine Augen größer und dunkler, als sie waren. Otis erschienen sie fiebrig.
»Wie geht’s heute?« fragte Samuel.
»Gut.«
»Du hast den Strahlenschock überstanden.«
»Wir haben ihn überstanden«, sagte Otis.
Samuel nickte, er lächelte flüchtig. »Was machen deine Beine?«
»Ich spür’ sie nicht einmal mehr. Sieht schlimm aus, wie?«
»Keine Schmerzen? Das ist ein gutes Zeichen«, sagte Samuel und erhob sich. »Übermorgen kannst du wieder laufen. Bis dahin mußt du dich gedulden. Medikamente vollbringen keine Wunder.« Er zog seine Hosen zurecht und durchquerte den Raum ohne Eile. Sein Gang wirkte unsicher, als wäre er noch schlaftrunken. Hier und da

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