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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Leben mochte in ihr wie ein Fremdkörper erscheinen, den sie durch unsichtbare Poren aufsog, um ihn gereinigt und verformt wieder von sich zu geben: eine Hölle der Läuterung! Das ist anmaßend, dachte Nekida, woher nimmst du den Anspruch, so etwas zu vermuten.
Je weiter sie sich von dem weißen Platz entfernten, desto mehr verstärkte sich Nekidas Nervosität. Konnte er ihnen trauen, oder hatten die Ktrotark Grund, sich vor ihm zu verbergen? Erwarteten sie ihn an einem Ort, von wo er nicht entfliehen konnte? Würden sie jene Toleranz üben, deren Fehlen sie den Menschen vorwarfen?
»Wo sind deine Artgenossen, Pritratorix?«
»Sie sind beschäftigt.«
»Arbeiten sie?«
»Sie vergnügen sich.«
Sie näherten sich einem kuppelförmigen Bau, aus dessen Oberfläche in regelmäßigen Abständen Gebilde ragten, wie gekrümmte Krallenhände, in ihrer Mitte vielflächige, rotierende Ellipsoide, in denen rhythmisch ein tiefroter Schein aufglomm.
Der Marsianer verhielt seinen Schritt und bedeutete Nekida, ebenfalls stehenzubleiben. »Wir müssen warten, sonst werden wir verbrannt.«
Für Sekunden umzuckte sie ein heller, gleißender Schein.
»Barg erlaubt uns zu gehen«, sagte Pritratorix.
In der Wand vor ihnen klaffte eine ovale Öffnung, breit genug, ihnen nebeneinander Einlaß zu gewähren. Ein letztes Mal zauderte Nekida. Er hatte das Versprechen des Marsianers. Im stillen verfluchte er sein Mißtrauen. Entschlossen trat er neben seinem Begleiter in die Kuppel.
Einen Augenblick lang blendete ihn ein rötliches Licht.
Der weite Raum war bis auf vier kunstvolle, eckige Säulen, deren Enden sich über ihnen im Dunkel verloren, leer. Zwischen ihnen schwebte, mehrere Meter über dem Fußboden, ein zweiter Ktrotark, von roten Strahlenbündeln umflossen.
»Das ist Pto-Antok«, flüsterte Pritratorix. »Er entstammt der Gruppe Perichtokal. Er ist seit zweihundert Jahren unser Bester Ktro.«
»Ich übergebe dir meine Gedanken, Mensch«, wisperte eine Stimme in Nekidas Gehirn.
»Pto-Antok begrüßt dich.« In Pritratorix’ Äußerung nahm Nekida tiefe Ehrfurcht wahr. Aus den Augenwinkeln sah er, daß der Marsianer beide Hände um den Schädel gelegt hatte und in dieser Haltung verharrte.
Nekida legte die rechte Hand auf die Brust und verneigte sich vor dem Herrscher der Ktrotark. »Ich wünsche dir ein langes Leben und gute Gesundheit, Pto-Antok, Bester Ktro.«
Wiederum vernahm Nekida jenes hallende, gongartige Geräusch. »Warum lachst du, Herrscher der Ktrotark?«
»Ich bin unsterblich, Mensch.«
»Unsterblich – lebst du ewig?«
»Solange ich es will.«
»Heißt das, du kannst den Tag deines Todes wählen?«
»Ja.«
Voll scheuer Ungewißheit versuchte Nekida dem Bild zu entkommen. Er stellte sich einen ängstlich zusammengekauerten Ktrotark vor, der apathisch die selbstbestimmte Stunde seines Todes erwartete. Es wurden immer mehr, bis die ganze Stadt mit lethargischen Vogelwesen bedeckt war. Dann nahmen sie plötzlich menschliche Gestalt an und füllten eine irdische Stadt mit ihrer leblosen Menge. Nekida schauerte zusammen.
»Wie schwach seid ihr doch«, vernahm er die Gedanken des Besten Ktro, »wie unwissend. Euch ängstigt der Tod, denn nie erreicht ihr das Ziel.«
»Was weißt du von uns, vom Ziel des menschlichen Lebens?«
»Es gibt nur ein Ziel. Ist es erreicht, wird das Leben unnötig.«
»Ich glaube dir nicht. Um ewig leben zu können, wirst du es nie erreichen wollen.«
»Ihr Menschen seid unersättlich.«
Pto-Antok sank in seiner roten Aura zu Boden. Er trat, begleitet von den Strahlenbündeln, bis an den Rand des Gevierts und blickte den Menschen starr an.
»Ihr überbewertet euer Sein. Ihr richtet euer Denken auf Äußerlichkeiten, mit denen ihr die Minderwertigkeit eurer Existenz kompensieren wollt. Ihr seid süchtig nach einem ewigen Leben und wüßtet doch nichts damit anzufangen.«
»Du weißt nichts von uns«, begehrte Nekida auf. »Die Liebe zum Leben ist menschlich. Es ist unser wertvollster Trieb.«
Wie einen kurzen, hallenden Schlag vernahm er das unterdrückte Lachen des Besten Ktro. »Ihr seid Tiere.« Die leise Stimme war voller Sanftmut. »Vom Tier ist der Höhere unterschieden durch die Fähigkeit zu sterben.«
Was hatten sie den Menschen voraus? Sie fürchteten den Tod offenbar nicht. Begriffen diese Wesen tatsächlich ihr Dasein in einer Weise, daß sie vor dem Tod nichts empfanden, oder war es eine Phrase? Nekida wußte nichts von ihnen, wer wen beherrschte, wer produzierte, wer dachte. Wodurch

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