Der unsichtbare Kreis
Pto-Antok, »das ist unsere Freiheit. Wir mußten uns nie voreinander fürchten.« Er schwieg, um seinem Gast Gelegenheit zu geben, nachzudenken und eine geeignete Antwort zu finden. Doch in Nekidas Vorstellung wuchs sich die Allgegenwärtigkeit anderer in den Gedanken des einzelnen zu einem tausendäugigen und tausendohrigen Ungeheuer aus, das wie ein erstickender Rauch in jeden Winkel kroch, unter jedes Möbel, hinter jede Mauer. Er schwieg verstört.
Der Beste Ktro unterließ es, die Verwirrung seines menschlichen Gastes zu kommentieren, und fuhr in seinem Bericht fort.
»Voller Abscheu und Angst beobachteten wir jahrtausendelang euren Planeten. Wir sammelten gewaltige Mengen von Informationen in der Hoffnung, einen Ansatz zu einer besseren Entwicklung zu erkennen.« Die runden Augen des Herrschers weiteten sich vor Mitleid zum Oval. Seine Gedanken verrieten das schmerzliche Bedauern, das ihn bewegte, als hätte er einen Freund verloren.
»Wir gaben den Menschen keine Chance, dieses tierische Stadium jemals zu überwinden, und es schien lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis sie ihre kriegerische Mordlust auf andere Planeten tragen würden.«
Nekida unterbrach den Herrscher mit einer heftigen Geste, die fast schon unhöflich war. »Wir hatten andere Voraussetzungen, und wir haben einen anderen Weg eingeschlagen! Sagt nicht ihr selber, daß die höchste Form des Verstehens Toleranz ist! Beweist nicht unser Treffen, daß die Menschen kein Mißtrauen mehr verdienen?«
»Du überbewertest es«, entgegnete der Beste Ktro kühl. »Du bist eine Ausnahme unter den Menschen: Du hast an der Schwelle freiwillig deine Waffe abgelegt.«
»Ich bin wie alle anderen Menschen«, antwortete Nekida triumphierend, »ihr irrt!«
»Selbst wenn ihr euch nicht mehr gegenseitig umbringen solltet, was das Orakel des Barg verneint, so seid ihr doch immer noch darauf angewiesen, euch tierischer Feinde durch deren physische Vernichtung zu erwehren, während wir unsere geistigen Kräfte dazu gebrauchen.«
»Das kann nicht Gegenstand deines Vorwurfs sein«, entgegnete Nekida. Er wurde ungeduldig. Die Reaktion des Besten Ktro enttäuschte ihn. Die Argumente kamen ihm konstruiert vor. Sie schienen einer Konfrontation mit den Menschen auszuweichen. Nekida hatte sich eine solche Begegnung anders vorgestellt. Hoffnungsvoll rief er in Gedanken aus: »Kriege kennen wir schon seit vielen Generationen nicht mehr!«
Der Beste Ktro schwieg einen Augenblick, wie es schien, überrascht. Dann äußerte er: »Das muß ein so unwahrscheinlicher Zustand sein wie der energiereichere eines Systems gegenüber dem energieärmeren. Doch wie auch immer, die Orakel des Barg wurden schließlich in einer Form gedeutet, die jedes Risiko für uns ausschloß. Unser Risiko waren die Menschen, so fremd und abstoßend: Neid, Haß, Machtgier, Ungleichheit – Furcht und Schrecken.« Der Beste Ktro lächelte höhnisch, und Nekida vernahm einen scharf aufklingenden Glockenton. »Ihr habt unseren Monden diese Namen gegeben, Phobos und Deimos. Das sind Attribute eurer Welt.«
Immer mehr verdichtete sich bei Nekida der Verdacht, daß sich hinter den eintönigen Anwürfen des Besten Ktro eine Absicht verbarg. Seine Enttäuschung wuchs. Pto-Antok schüttete einen Wall von Vorwürfen auf, die in Widerspruch zu stehen schienen mit der Art und Weise, wie Pritratorix und Pto-Antok ihr Volk darstellten, mit ihrem eigenen moralischen Anspruch. Statt das Verbindende zwischen ihnen zu betonen, umhüllte sich der Beste Ktro mit flammenden Tiraden, die das erste zarte Grün in dem Niemandsland zwischen ihnen verdorren und eine unüberwindliche Wüste entstehen ließen. Das Bild des Mars, wie er ihn kannte, entstand vor seiner Erinnerung.
»Du bist weise«, erklärte der Herrscher lächelnd. »Die Wüste mit ihren Gefahren ist unser Schutz. Wir haben sie künstlich erzeugt. Niemand sollte versucht werden, diese todbringende Welt in Besitz zu nehmen. Wir wollten keine Nachbarschaft vor unseren Toren.«
»Ist euch die Schwelle nicht Schutz genug, habt ihr euch noch nicht weit genug verkrochen, beansprucht ihr zwei Planeten?«
Der Herrscher der Ktrotark lachte mit unbewegter Miene. »Ihr selbst nehmt doch die ganze Welt in Besitz, alle Planeten, deren ihr habhaft werden könnt.«
»Das widerspricht meiner Überzeugung.«
»Also bist du eine Ausnahme unter den Menschen.« »Nein!«
»Wir wollen uns nicht streiten«, entgegnete der Beste Ktro sanft. »Es besteht die Gefahr, daß wir uns
Weitere Kostenlose Bücher