Der unsichtbare Kreis
unzulänglich sein früheres Sein gewesen war, die plumpe Uneinheit mangelhafter Glieder. Er war bereit, Barg für die Befreiung zu danken, denn es war eine unendliche Lust, in tausendfacher Vollendung zu existieren. Er war keines eigenen Gedankens fähig und keiner Handlung. Er wußte nicht, wie lange das dauerte.
Seine Hände fuhren über den Körper, er spürte die Beweglichkeit der Glieder. Die Fingerspitzen nahmen die Wärme des Gesichts auf, die Muskeln beugten kräftig und mühelos die Arme.
»Wo ist Barg?«
»Du bist bereits in ihm.«
Unbestimmte, angenehme Eindrücke drangen auf ihn ein, vielleicht war es Musik, vielleicht Schreie eines Tieres. Etwas Fremdes außerhalb seines Denkens sog sein Erschrecken darüber auf; es nahm ihm die Entscheidung ab und wollte nur seine Dankbarkeit, für die es die Unverletzlichkeit der ewigen, unwandelbaren Welt der Ktrotark auf ihn übertrug und ihn damit unvergänglich machte.
Nekida kehrte zurück in seinen Körper. Sein Blick fiel auf Pto-Antok. Nicht er war der Herrscher der Ktrotark, Barg war die eigentliche Macht. Er hatte keine Vorstellung, in welcher Form Barg existierte. Wie konnte er einen solchen Einfluß auf sein Denken und Fühlen gewinnen? War das ein suggestiv erzeugter Effekt, oder ließen sie ihn ein berauschendes Gas einatmen? Sie hatten ihm ihre grenzenlose Macht demonstriert, sie oder Barg. Er mußte herausbekommen, ob Barg nur ein Werkzeug war oder eine reale Macht. Pto-Antok mochte eine Art Oberpriester sein, der die selbsterfundenen Weissagungen und Orakel des Barg in seinem Sinne deutete. Oder war er Mittler zwischen dem Ding Barg und der Bevölkerung?
Er war in Barg.
Sahen sie in Barg einen Weltgeist, der alles durchdrang? War es ein organisches oder maschinelles Monstrum, ein vergöttertes Monstrum? Hatte Barg die Ktrotark zu seinen Sklaven gemacht und beutete sie geistig oder wie auch immer aus? Aber was nützte es ihm? Wer hatte Barg geschaffen?
Er mußte sich behutsam zum Ziel tasten. Wichtig erschien ihm die Frage, warum sie sich in krankhafter Manie von den Menschen abgeschlossen hatten.
Nekida mußte über seine Einfalt lächeln. Was nützte ihm diplomatische Taktik angesichts der Tatsache, daß sie jeden seiner Gedanken belauschen konnten.
Er blickte Pto-Antok spöttisch-erwartungsvoll an und vernahm gleich darauf dessen Gedanken.
»Auf Grund des Orakels begannen unsere Gelehrten seinerzeit, ihre Forschungen in eine bestimmte Richtung voranzutreiben. Sie entdeckten, daß in unendlicher Vielzahl Universen nebeneinander existieren, in einer zeitlichen und räumlichen Quasiparallelität, die durch eben jenen unscheinbaren Faktor möglich wird. Ich glaube, ihr würdet es eine thermodynamische Größe nennen. Faktor einer Zustandsgleichung. Diese Gleichung der parallelen Universen ist mit unserem Denken nicht mehr faßbar. Barg hat sie uns gegeben.«
Pto-Antok erstarrte in seiner aufrechten Haltung, die Hände über dem Schädel zusammengefaltet. Nekida hatte die Geste schon bei Pritratorix beobachtet. Offenbar war sie ein Ausdruck tiefster Ehrfurcht.
Eigenartigerweise weckte sie in ihm Mitleid.
Barg war den Ktrotark offenbar mathematisch überlegen, eine Rechenmaschine, eine Art superleistungsfähiger Computer, erhoben in den Rang einer Gottheit.
»Pto-Antok, wer hat Barg geschaffen?«
»Er war schon immer, er wird immer sein.«
Nekida fand seinen Verdacht fast bestätigt. Doch um die tatsächlichen Verhältnisse zu erkennen, mußte er noch einen Schritt weitergehen.
»Antworte, Barg, ohne meinen Willen zu manipulieren: Wer bist du?«
Der erschreckte Ausruf des Besten Ktro erstarb unter einem fast menschlichen Lachen. Pto-Antok neigte den Kopf tief unter die gefalteten Hände.
Nekida vernahm ein Wispern. »Sie haben meinen Ursprung vergessen.«
»Mit welchem Recht hast du dich zu ihrem Gott gemacht?«
»Sie haben mich gebaut.«
»Das ist keine Antwort. Warum vergaßen sie deine Herkunft?«
»Ihre alten Götter waren nicht mehr hinreichend. Ich sah, daß sie einen neuen brauchten. Ich wollte ihnen helfen. Dazu wurde ich gebaut.«
»Sie haben es nicht von selbst vergessen, nicht wahr?«
Die Stimme schwoll an. »Du bist vermessen, Mensch Nekida. Ihr alle seid so.« Dann sank sie zum Flüstern herab. »Es ist gut, daß die Schwelle da ist.«
Barg hatte ihm eine klare Antwort verweigert. Wütend rief Nekida: »Du hast dich ihrer bemächtigt! Was aber bewegte dich dazu, was hast du davon für einen Nutzen?«
»Bemühe dich nicht«, vernahm er Bargs
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