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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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dagegen, kaum noch Herr seiner selbst.
    »Laß das, Barg.« Seine Stimme war ein Stöhnen. »Du mißbrauchst deine Macht. Ich will es nicht. Ich will, daß du meine Frage beantwortest.«
Der singende Ton verstummte. Barg zögerte.
     
»Wir kennen ein klassisches Sprichwort«, sagte Nekida.
    »Brot und Spiele. Ist es das?«
»Verstehe, Mensch«, flüsterte die Stimme. »Ihr harmonisier
tes Leben braucht einen Gegenpol: Spannung. Ich habe es für
SIE erfunden.«
»Du teilst ihnen ihr Leben zu!«
»Sie haben es in mein Ermessen gelegt.« Bargs Stimme war
sanft. »Sie können meiner nicht mehr entbehren.«
»Was wäre, wenn sie sich von dir trennten?«
Ein unterdrückter Ton des Entsetzens antwortete Nekida. »Was wäre?«
Die Stimme hauchte. »Sie würden sterben.«
»Du lügst! Du würdest sterben. Ist es nicht so?«
Vor Nekida öffnete sich wieder die grenzenlose Weite,
und schmeichelnd wisperte die Stimme in ihm: »Das alles gehört dir, Mensch. Frag nicht weiter nutzlose Fragen. Ich will
dir die Welt offenbaren. Du sollst mehr erkennen, als je einem
Menschen gegeben sein wird.«
Es war fast unmöglich, zu widerstehen. Mit äußerster
Mühe konzentrierte Nekida seine Gedanken.
»Wenn du mich zum Schweigen bringen willst, Barg,
mußt du mich töten. – Du beherrschst sie, du nutzt ihre Erkenntnisse aus, denn sie können etwas, was dir künstlichem Monstrum versagt bleibt. Du brauchst ihre Phantasie, um dich weiterzuentwickeln. Du bist entartet, deine Existenz ist
zum Selbstzweck geworden!«
»Sie sind glücklich, sie sind frei. Ein jeder kann tun, was
ihm beliebt. Ich zwinge niemanden.«
»Du bemächtigst dich ihrer Gehirne, du entleerst sie.« »O nein.« Barg lächelte.
»Du verrätst dich, Monstrum. Natürlich saugst du nicht
ihre Gehirne leer. Wie könnten sie dann noch von Nutzen
sein?«
»Du bist klug, Mensch.«
»Aber warum tust du das?«
»Sie haben mich geschaffen, sie wollten es«, kam die stereotype Antwort.
Nekida versuchte sich zurückzuziehen, gedanklich zu
schweigen. Doch seine Gedanken waren in Aufruhr. Barg hatte erreicht, was er wollte. Nekida erschien es nun naiv und
unmöglich, die Kameraden mit dem Ziel hierherzuführen, diesem Volk zu helfen. Sie waren zu verschieden. Sie hatten
nichts Gemeinsames, Verbindendes.
»Nicht einmal das Gefühl der geschlechtlichen Liebe«, ergänzte Barg seine Gedanken. »Sie kennen keine getrennten
Geschlechter.«
»Es ist nicht sinnvoll, wenn ich länger verweile. Laß mich zurückkehren«, verlangte Nekida. »Vielleicht kommen wir eines
Tages zurück, wenn du nicht mehr bist, Barg. Vielleicht finden wir dann einen Weg zu unseren Nachbarn.«
Ein wütender Aufschrei drang schmerzhaft in sein Gehirn. »Hast du noch immer nicht begriffen, daß ich ewig bin, ewig und allmächtig. Ihr könnt kommen. Ich fürchte die Menschen nicht. Muß ich dir noch einmal beweisen, daß meine
Macht unendlich ist?«
Nekida spürte eine entsetzliche Schwäche und fürchtete
hinabzustürzen in Bargs unergründliche Tiefe. Doch der rote
Strahl stützte seinen zitternden Leib und zog ihn langsam
mit sich.
Unter Nekida öffnete sich der Boden. Der rotglimmende
Krater nahm ihn in sich auf. Das Licht blendete ihn. Er kniff die
Lider zusammen, doch er empfand keine Angst mehr, nur
ungeduldige Erwartung. Er war überrascht, als er Bargs Liebe
spürte. Er hatte das Verlangen, Barg nie wieder zu verlassen. Es
zog ihn zu ihm hin unwiderstehlich, mit einem lustvollen Gefühl.
Nekida schien es, als bewege er sich schwebend in einem
unendlichen Volumen. Er selbst war ein unvorstellbar kleiner
Raum in dieser Grenzenlosigkeit. Völlig in der Gewalt des
Barg, vergaß er die Welt, der er entstammte. Er war Barg. »Ich bin in dir, du bist in mir. Du bist ich, Nekida. Wir
sind unverwechselbar geworden und untrennbar, wenn ich
will.«
Nekida hatte aufgehört zu existieren. Es gab niemanden
mehr, der den Widerspruch in Bargs Worten entdecken
konnte. Er war glücklich. Nichts hemmte ihn. Er konnte sich in
seiner Unendlichkeit entfalten, und es bereitete ihm Lust, sich
auszudehnen. Nichts außer dieser Lust erschien ihm wichtig. An den Grenzen des Alls öffneten sich schmale, wulstige
Spalten. Barg betrachtete ihn.
»Bist du das, Barg?«
»Ja.«
»Wir sind ein Monstrum, Barg.«
»Du bist es.«
Zitternd schrumpfte Nekida zusammen. »Alles, was anders
ist als ich, ist Monstrum!«
Die Worte waren nicht aufzuhalten. Er hatte sie nicht denken wollen. Sie waren ihm entquollen wie durch einen Riß. Etwas

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