Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
dass ich nie wirklich darüber nachgedacht habe.«
    »Also, überleg mal. Wir haben diesen Bibliothekar aufgeknüpft, und er scheint immer noch dort zu hängen – zum größten Teil jedenfalls. Und danach sind wir Kaffee trinken gegangen. Mrs. K stirbt und die ganze Stadt trauert um sie. Manche Leute werden aufgefressen und im Soame’s wird darüber getratscht. Bei anderen ist es ein tragischer Verlust. Ich meine, irgendwas stimmt hier einfach nicht.«
    »Herold«, fragte Meredith und drehte ihn zu sich, damit er ihr in die Augen sah. »Gib mir eine ehrliche Antwort: Kommt es dir vor, als würde ich mich verändern?«
    Herold schwieg und sann über eine Antwort nach. Schließlich sagte er: »Meredith, wir alle verändern uns – jeder von uns. Aber ich glaube, wir verwandeln uns nur in das, was wir sind oder vielleicht von Anfang an hätten sein sollen. Ich glaube, dass die Welt ihrer Fassaden beraubt wird. Was wir letzte Woche gesehen haben, war nur ein Bild. Jetzt sehen wir die darunter liegende Wirklichkeit.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Eigentlich durch die Seite der Ur-Edda, die Michael geschickt hat«, sagte Herold. »Ich habe sie mir genauer angesehen. Erinnerst du dich, dass sie einen merkwürdigen grünlichen Farbton zu haben schien?«
    »Sicher«, erwiderte Meredith, »aber ich dachte, das läge am hohen Alter von dem Ding – Schimmel, oder so was.«
    »Es ist kein Schimmel. So weit ich das beurteilen kann, handelt es sich um irgendeine Chemikalie oder Alkohol – irgendetwas, in das man das Pergament einweichen kann, ohne es zu zerstören.«
    »Und du glaubst, Michael hat das getan?«
    »Dessen bin ich mir sicher. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass das Blatt auch noch ein Palimpsest ist – ein Schriftstück, auf das etwas geschrieben und dann wieder entfernt wurde. Danach wurde es erneut beschrieben. Als Schreibmaterial noch knapp war, wurde oft so verfahren. In manchen Fällen wurde die ursprüngliche Schrift jedoch nie vollständig ausgelöscht. Manchmal kann man die Wörter immer noch erkennen.«
    »Und du meinst, die Edda-Seite ist so etwas?«
    »Ja. Ich bin mit meiner Übersetzung nicht sehr weit gekommen. Aber die Schrift sieht dem Isländischen, in dem die Edda verfasst wurde, sehr ähnlich. Es handelt sich dabei möglicherweise um eine noch ältere Fassung als jene, die gedruckt wurde. Ich werde später noch daran weiterarbeiten. Ich wollte nur sagen, dass mich das darauf gebracht hat, über Erscheinungen nachzudenken und darüber, dass Dinge, die an der Oberfläche normal erscheinen, vielleicht verbergen, was sie in Wirklichkeit sind.«
    Er hielt inne, als er bemerkte, dass Meredith ebenso beunruhigt wie bestürzt war. »Reedy? Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Du glaubst also nicht, dass ich diejenige sein könnte, die für das Verschwinden all dieser Leute verantwortlich ist? Du meinst nicht, es könnte alles meine Schuld sein, und ich kann mich nur nicht daran erinnern?«
    »Quatsch«, sagte er und legte schüchtern einen Arm um sie. »Ich glaube nicht, dass hier irgendetwas Neues passiert. Wolltest du jemals jemanden umbringen?«
    »Also, nein, aber…«
    »Fühlst du dich irgendwie verändert?«
    »Eigentlich nicht, aber…«
    »Siehst du. Wenn du Veränderungen bemerkst, Reedy, dann nur, weil diese Dinge schon in dir gesteckt haben. Wenn du dir etwas nicht vorstellen kannst, dann halte ich es für unwahrscheinlich, dass du es jemals tun wirst. Manche Leute scheinen sich körperlich zu verändern«, er warf einen Blick zu Glen hinüber, der sich durch die Bäume schwang, »manche in ihrem Verhalten und manche in beidem. Aber es ist ein wenig wie bei der Hypnose – du wirst nichts tun, was du normalerweise nicht auch tun würdest.«
    »Du willst damit also sagen, dass wir alle einfach nur hypernormal werden?«
    »Ich sage nur, dass die Masken fallen. Monster bleiben immer noch Monster – aber jetzt können wir sie sehen.«
    »Manchmal bist du ziemlich clever, weißt du das, Herold?«
    »Ja.«
    Meredith blieb stehen und hielt ihn fest. »Warte – und wie erklärt deine Theorie das«, fragte sie und zeigte auf den Mantikor, der zum Spielen aufgelegt schien und den Posaunisten der Jennings Band, Jonathan Wilson, die Solomonstraße hinunter jagte.
    »Nun«, sagte Herold. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie sich der ganze Mist mit den Autos erklären lässt.«
    Sie sahen zu, wie der Mantikor Jonathan einholte, eine spitze Klaue in seinen Rücken rammte und ihn

Weitere Kostenlose Bücher