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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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auftrennte. Dann riss er seine Wirbelsäule heraus, begutachtete sie einen Augenblick lang, bevor er sie über die Schulter warf und dazu überging, sich an den Überresten des Musikers gütlich zu tun.
    »Tja«, sagte Herold. »Ich schätze, jetzt ist es das Jennings Duo.«
     

     
    Als sie im Soame’s saßen und sich Glen Beecrofts Ein-Mann-Vorführung eines originellen Theaterstücks mit dem Titel ›Ich weiß auch nicht, was es ist, aber da kommt es schon wieder‹ ansahen, bemerkte Meredith, dass Tetsuo hinter der nur angelehnten Tür zu den privaten Wohnräumen stand. Er fing ihren Blick auf und gab ihr ein Zeichen ihm zu folgen.
    Sie glitt unauffällig von ihrem Stuhl, während Glen bei einem Teil des Stückes angelangt war, in dem es um Alligatoren ging. Er beäugte die Leute in den ersten Stuhlreihen im Vorbeigehen, als seien sie Sahnewindbeutel. Delna hielt ihn mit einigen hingeworfenen Biscotti in Schach. Meredith fragte sich, ob sie nicht gerade ging, als es anfing interessant zu werden.
    Meredith trat durch die Tür der Kawaminamis und sah Tetsuo mit einer angezündeten Kerze am Fuß der Bibliothekstreppe stehen. Langsam stieg sie hinunter, umrundete den breiten, dunklen Tisch und die Stühle aus der Zeit Edwards VII. Hier hatten sie Bristol geschnappt, dessen Stempel immer noch offen neben einem Bücherstapel lag.
    »Ted?«, sagte Meredith. »Du wolltest mich sprechen?«
    Er nickte und stellte die tropfende Kerze auf dem Tisch ab. Dann trat er aus dem Lichtschein heraus und ging zu einer an der Wand stehenden Truhe.
    Meredith konnte nicht ganz erkennen, was er tat – er nahm etwas Eingewickeltes aus der Truhe, drehte sich dann zu ihr um und entfernte das Tuch von dem Gegenstand.
    »Ted? Was machst du da? Was ist das?«
    Wortlos trat Tetsuo aus den Schatten heraus. In den Händen hielt er vorsichtig – ein Schwert.
    Eine größere, längere Version dessen, was man bei Fujikos Leiche gefunden hatte. Das Schwert löste in Meredith Gedanken an Richard Chamberlain aus: Gaijin-San, der holländische Händler aus dem Roman ›Shogun‹, der auf japanischem Boden Schiffbruch erleidet. In ›Shogun‹ floss eine Menge Blut, und meist wurde es von einem Schwert vergossen, wie Tetsuo es ihr entgegenhielt.
    Das Metall der Klinge war über fünfhundert Mal gefaltet worden und konnte durch Beton schneiden, durch rohen Stahl oder einen Baum. Es war ein uraltes Schwert, das Heft aus Gold in der Form eines Drachen geschmiedet, mit roter Seide durchflochten und mit Onyx von tiefstem Schwarz umhüllt. Seine Schönheit war atemberaubend.
    Entlang der Klinge wies es außerdem blasse rostfarbene Flecken auf.
    Allerdings war sie ziemlich sicher, dass es kein Rost war.
    Tetsuo trat näher heran und kniete nieder, um ihr die Klinge zu reichen.
    »Ted? Was… Ich verstehe nicht…«
    »Ich habe dich verraten, Meredith. Mein Leben gehört dir.«
    Sie zog ihn auf die Füße, zitternd vor Angst und Ungläubigkeit.
    »Worüber zum Teufel sprichst du, Tetsuo?«
    Er sank in einen der Stühle am Tisch, den Kopf in den Händen. »Es gibt etwas, das ich dir hätte sagen sollen, als du aus Wien hierher kamst. Ich wollte es dir sagen, aber irgendetwas schien immer dazwischen zu kommen, oder die Umstände stimmten nicht ganz, oder…«
    Er schüttelte traurig den Kopf. »Ausflüchte. Alles Ausflüchte. In Wahrheit wurde es nur zunehmend einfacher sich vorzumachen, es gebe nichts zu sagen. Und nach einer Weile verwandelte sich dein Vater mehr und mehr in eine Erinnerung, und es wurde immer unwichtiger, das Versprechen zu halten, das ich ihm gegeben hatte.«
    »Was für ein Versprechen?«
    »Dir zu erzählen, was er mir erzählt hatte, in der Nacht bevor er… bevor er getötet wurde. Dir zu erzählen, was ich versprochen habe, niemand anderem zu erzählen.«
    » Was, Ted?«
    »Wasily Strugatski war nicht dein Vater.«
    Meredith ließ sich ihm gegenüber in einen der Stühle fallen. Er deutete den Blick in Merediths Augen als Erlaubnis fortzufahren. Ehrlich gesagt, hatte sie keine Ahnung, was in ihren Augen zu lesen war – sie war schon froh, dass sie noch klar sehen konnte.
    »Wasily kam eines Nachts zu mir, als ich allein war. Er hatte oft mit Fuji und mir zu Abend gegessen und er verbrachte eine Menge Zeit mit Shingo. Doch in jener Nacht kam er vor dem Abendessen und bat, mich allein zu sprechen. Wir kamen hierher, in die Bibliothek, und er erzählte mir eine Geschichte von zwei jungen Liebenden, die die Umstände voneinander getrennt

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