Der unsterbliche Highlander
ins Auto und fahr so schnell und so weit fort, wie du kannst. Ich hinterlasse Geld auf einem speziellen Konto, das du nur anrühren darfst, wenn du fliehen musst. Es dürfte mehr als genug sein, um deine Sicherheit zu gewährleisten.
Gabby klammerte sich an die Kante der Arbeitsplatte und schloss die Augen.
Sie wollte nicht weg, verdammt. Dies war ihr Zuhause, das Zuhause, in dem Gram sie großgezogen hatte. Jeder Winkel war angefüllt mit kostbaren Erinnerungen. Jeder Quadratzentimeter des jahrhundertealten, verschachtelten Hauses war ihr lieb und teuer, vom Schieferdach, das immer irgendwo eine undichte Stelle hatte, über die großen Räume mit den hohen Decken bis hin zum altmodischen Heizungssystem, das klopfte und röchelte, aber im Winter eine so gemütliche Wärme verbreitete. Was machte es schon, dass sie es sich nicht leisten konnte, das ganze Haus zu heizen, und mehrere Pullover übereinander tragen musste, wenn sie nicht unmittelbar neben einem Heizkörper saß? Und dass sie keine Klimaanlage besaß und es im Sommer brütend heiß war?
Gelegentlich war sie versucht gewesen, das »Flucht-Konto« zu plündern; doch sie hatte immer widerstanden. Alles würde sich ändern, wenn sie ihren Studienabschluss und einen richtigen Job hatte. Ihre finanzielle Lage würde nicht immer so prekär sein wie jetzt. Selbst als Anfängerin in einer Anwaltskanzlei wäre sie in der Lage, ihren Studentenkredit nach und nach zurückzuzahlen und die vielen bitter nötigen Renovierungsarbeiten in Angriff zu nehmen.
Sie hielt sich ohnehin die meiste Zeit in dem achteckigen Türmchen auf, entweder in der Bibliothek im Parterre oder im Schlafzimmer darüber, das sie seit Grams Tod bewohnte. Wenn sie in den Sommernächten alle Fenster öffnete und der Deckenventilator leise surrte, konnte sie die Hitze gut ertragen. Außerdem liebte sie es, im Bett zu liegen und über den üppig grünen Garten zu blicken, dessen windschiefer schmiedeeiserner Zaun dringend erneuert werden musste. Die Hypothek war schon vor Jahren zurückgezahlt worden. Gabby hatte sich vorgenommen, niemals von hier wegzugehen, und sie hatte gehofft, dass eines Tages ihre Kinder die vielen Zimmer mit Leben erfüllen würden.
Und jetzt, nur wegen dieses einen verfluchten Feenwesens ...
Moment mal , dachte sie und riss die Augen auf - es hatte keine Feenaugen, oder? In ihrer Panik hatte sie diese eigenartigen Augen vollkommen vergessen. Sie waren einfarbig gewesen. Schwarz wie die Nacht. Schwarz wie die Sünde mit ein paar goldenen Fünkchen.
Das waren auf keinen Fall Feenaugen. Feen hatten schillernde Augen, deren Farbe sich quecksilberartig schnell änderte und die in allen Regenbogenfarben schimmerten. Feenaugen waren nie schwarz und gold leuchtend.
Nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe - das Ding hatte genaugenommen einige verblüffende Anomalien an sich gehabt. Zum Beispiel die menschliche Kleidung - ein Feenwesen in Jeans und T-Shirt? Normalerweise trugen Feen Gewänder aus Stoffen, die sie nie irgendwo anders gesehen hatte. Und zudem hatte es scheinbar Gefühle gezeigt.
Konnte sie tatsächlich so viel Glück haben? Stirnrunzelnd rief sie sich den Ablauf der Begegnung in allen Einzelheiten ins Gedächtnis und versuchte, noch andere Auffälligkeiten herauszufiltern. Sie musste die O'Callaghan-Bücher zu Rate ziehen.
Die Aufzeichnungen umfassten neunzehn dicke Folianten, die bis ins fünfte Jahrhundert zurückreichten. Detaillierte Erzählungen über Feen, Berichte von Begegnungen und mitgehörten Gesprächen sowie Spekulationen und Vermutungen. Gabbys Vorfahren hatten diese Aufzeichnungen zuverlässig aufbewahrt und im Laufe der Jahrhunderte mit Legenden und Tatsachenberichten ergänzt.
irgendwo in diesen Büchern musste es Informationen über die Kreatur geben, die sie heute Abend gesehen hatte.
Vielleicht hatte dieses Ding in der Weltordnung der Feen überhaupt keine Bedeutung - an diesen Gedanken klammerte sie sich entschlossen, als sie durch den Flur in die Bibliothek eilte. Vielleicht hatte es genauso wenig Lust, ihr in die Quere zu kommen wie sie ihm.
Vielleicht machte sie sich unnötig Sorgen.
Und vielleicht , dachte sie viele Stunden später niedergeschlagen, als sie das staubige Buch auf ihren Schoß fallen ließ, als hätte sie sich daran verbrannt, ist der Mond ein riesiges Käserad.
Es war ein Feenwesen.
Und nicht nur das.
Es war das schrecklichste Feenwesen von allen.
Und Lust? Die hatte es im Übermaß. Ihr in die Quere zu kommen?
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