Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
in einem furchtbaren Zustand gewesen, als hätte er zahllose Kämpfe damit durchgemacht, so zerrissen und voller Blut. Vielleicht, so überlegte sie, hatte er auch teilgenommen an den Kämpfen, die in den dunkelsten Ecken Borams abgehalten wurden. Zwar waren sie verboten, aber jedermann wusste, dass es diese Kämpfe gab. Ihr einziger Zweck war das Vergnügen und der Wunsch nach Blut.
Aber nein, der Fremde hatte wie jemand gewirkt, der lange nicht unter Menschen gewesen war. Lebte er vielleicht auf den Sicheren Wegen, zwischen den Städten? Sie hatte Erzählungen gehört, dass es solche Männer geben sollte; Männer, die sich nur zwischen den Städten aufhielten und von Überfällen auf die Händler lebten. Allerdings konnte sie sich ein solches Leben beim besten Willen nicht vorstellen, immer umgeben von Gefahren und den Dunklen.
Seine Augen. Seine Augen konnte sie nicht vergessen. Sie waren von einer fast vollkommenen Schwärze gewesen, die ihr Angst gemacht hatte. Man konnte an ihnen nichts erkennen, keine Regung, kein Lächeln, kein Gefühl. Wie konnte ein Mensch nur solche Augen haben? Sie wusste es nicht.
Es war ihr auch nicht verborgen geblieben, dass die Wunde, die sie am Abend seines Auftauchens an seiner Wange bemerkt hatte, nach erstaunlich kurzer Zeit verschwunden war. So etwas hatte sie noch nie gesehen und sie fragte sich, wie das möglich sein konnte. Irgendein Geheimnis umgab diesen merkwürdigen Fremden und ihr Herz sagte ihr, dass auch ihr Schicksal mit diesem Geheimnis verbunden war.
Sie konnte ihre Gedanken nicht mit jemand anderem teilen, denn sie wusste, wie verrückt sich das alles anhörte. Sie selber war nichts Besonderes, nur eine junge Frau, wie es sie viele in Boram gab, und vermutlich träumten auch jene anderen davon, eines Tages etwas Großes zu erleben. Selbst Lona, mit der sie zusammen in der Schenke arbeitete und mit der sie einen Großteil ihrer Zeit verbrachte, würde sie nicht verstehen. Auch wenn sie die gleiche Arbeit verrichteten und tagtäglich mit den selben Männern zu tun hatten, so waren sie beide doch vollkommen verschieden.
Mit einem Seufzer stand Mela auf, legte das Strickwerk, an dem sie gearbeitet hatte, zur Seite und zog sich eine Weste über. Ihre Arbeit in der Schenke wartete und Frerin war kein Mann, der Unpünktlichkeit sonderlich schätzte. Dennoch freute sie sich auf ihre Arbeit, denn sie bot ihr zumindest etwas Abwechslung von ihrem tristen Dasein.
Und das lag sicherlich auch an dem Fremden, den sie vermutlich wiedersehen würde. Ein zartes Lächeln überflog bei diesem Gedanken ihr Gesicht.
***
Der Fremde schritt durch die Stadt, scheinbar ziellos, doch das täuschte. Es war nun der vierte Tag seit seiner Ankunft und er suchte jemanden, und von diesem Jemand brauchte er etwas ganz Bestimmtes, das ihm bei seinem Kampf helfen würde. Er spürte seine Anwesenheit, so als würde ein unsichtbares Band sie verbinden, doch noch wusste er nicht genau, wo er den Gesuchten finden würde.
Aber er war geduldig; etwas, das er während seiner Gefangenschaft zur Genüge gelernt hatte. Die Zeit war ihm längst bedeutungslos geworden, denn er besaß mehr als genug von ihr. Ein düsteres Lächeln überzog sein Gesicht. Die Wunden, die seine Wangen bei seiner Ankunft in Boram noch gezeichnet hatten, waren inzwischen vollständig verschwunden. Mela, die Magd seines Wirtes, war ganz erstaunt gewesen, eine solch rasche Heilung festzustellen.
Sie kümmerte sich noch immer um ihn, oder versuchte es zumindest, doch sie bedeutete ihm nichts. Er behandelte sie gut, aber mehr auch nicht. Sie war nur eine von vielen, und er hatte eine Aufgabe, die allein für ihn wichtig war. Er konnte es sich nicht erlauben, sich ablenken zu lassen.
Vor ihm tauchte eine dunkle Gestalt aus einem Schatten auf und winkte ihm zu. Er ging ohne zu zögern auf sie zu und blieb nur einen Schritt von ihr entfernt stehen.
»Hast du gefunden, wonach ich suche?«, fragte er ohne Begrüßung.
Ihm gegenüber stand ein kleiner, gedrungen wirkender Mann mit auffallend dichtem Haarwuchs, der ihn gierig anstarrte. Verschlagene Augen musterten ihn kalt und abschätzend.
»Hat der Fremde Moquas Münzen?«
Er nickte und hielt sie dem Mann hin, der sie sofort an sich nahm und in seinem Mantel verschwinden ließ.
»Der Mann, den der Fremde sucht, befindet sich im Osten Borams, im Viertel der Kaufleute.« Er beschrieb das Haus des Gesuchten in allen Einzelheiten.
»Bist du dir sicher?«
»Natürlich,
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