Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
Hast du wirklich gedacht, sie würden es dir kampflos überlassen? Bist du wirklich so dumm?«
Eneas schieg. Der Alte hatte Recht, aber er hatte nicht anders gekonnt, als es dem Häscher zu sagen. Jetzt sah er ein, dass er einen schweren Fehler begangen hatte. Einen Fehler, der ihn jetzt einzuholen drohte.
»Eile dich, es als erster zu finden. Die Sinne deines Verfolgers sind an diesem Ort geschwächt, das mag dir helfen. Du musst verhindern, dass die Serapen das Beryllyion in die Hände bekommen!«
Eneas nickte, doch im Grunde seines Herzens war er nicht von der Wahrheit dieser Worte überzeugt. Er ahnte, dass es zu einer alles entscheidenden Auseinandersetzung kommen würde, schon bald. Zwischen ihm und dem Häscher, seinem erbarmungslosen Verfolger. Er würde ihn töten müssen, andernfalls würde er niemals Ruhe vor ihm haben.
***
Ihre Rast hatte nur kurz gedauert. Mela hatte längst jegliches Zeitgefühl verloren. Alles an diesem Ort, an dem sie sich befanden, wirkte falsch und unnatürlich. Sie sollten nicht hier sein, davon war sie inzwischen überzeugt.
Wenn sie ihre Augen schloss, tauchten seltsame Bilder auf, die ihr Angst machten. Wie Fieberträume, die man einfach nicht mehr los wurde. Und diese Bilder wurden schlimmer, je länger sie sich hier aufhielten. Am meisten Furcht hatte sie davor, alleine zurückbleiben zu müssen, verlassen in diesem einzigen, großen Nichts. Und sie wusste, dass nicht nur sie diese Ängste hatte, auch in den Gesichtern der anderen malten sie sich überdeutlich ab.
Aber Eneas trieb sie an und duldete keine Verzögerungen; fast hatte sie den Eindruck, als fürchtete er etwas, von dem er ihnen nichts mitteilen wollte. Als wäre da etwas, das ihnen gefährlich werden konnte.
Sie riss sich von diesen düsteren Gedanken los und betrachtete ihre Umgebung. Seit sie die Schlucht überquert hatten, schienen alle Konturen endgültig verloren gegangen zu sein. Sie wanderten über eine glatte, gesichtslose Ebene, in der es keine Orientierung gab. Zumindest nicht für sie. Nur Eneas schritt voran, als wüsste er genau, wohin sie zu gehen hatten, als sähe er etwas, das ihnen verborgen blieb.
Ihre Begleiter waren zunehmend stummer geworden, vor allem Anda und Xarina. Der Tod Lals hatte sie von allen am schlimmsten mitgenommen, ihre Gesichter wirkten verhärmt und – was am furchtbarsten war – hoffnungslos. Sie schienen den Glauben aufgegeben zu haben, jemals wieder diesem dunklen Albtraum entkommen zu können. Und diese Hoffnungslosigkeit begann sich auf sie selber zu übertragen.
Mela kämpfte dagegen an, sagte sich immer wieder, dass sie auf Eneas vertrauen konnte, aber der Zweifel in ihr wuchs. Sie hasste sich dafür, aber das änderte auch nichts.
Sie musterte die beiden Wächter, die unweit von ihr gingen, die Fackeln nach vorne gerichtet, als könnten sie damit einen Ausweg finden. Orcard machte einen entschlossenen Eindruck, aber Mela wusste, dass das täuschte. Er machte sich Vorwürfe, an dem Tod Lals verantwortlich zu sein, und diese Schuld nagte an ihm.
Mela fürchtete, dass selbst jemand wie er, der seit ihrem Aufbruch aus Boram Stärke und unbeugsamen Willen verkörpert hatte, schon bald am Ende seiner Kräfte sein würde, wenn er nicht endlich diesen finsteren Ort verlassen konnte.
Die Verbotenen Wege schienen ihre Kraft aufzusaugen, als wäre sie etwas, von dem sie sich ernährten. Diese Dumpfheit, die sich über sie alle gelegt hatte, konnte nicht normal sein. Sie musste mit diesem Ort zusammenhängen. Wenn sie sich zu lange hier aufhielten, würde das ihr Ende sein, darin war sie sich gewiss.
Seltsamerweise verspürte niemand von ihnen Durst oder Hunger, so wie Eneas es vorausgesagt hatte. Auch das war ein Rätsel der Verbotenen Wege.
Sie stoppte, denn die anderen vor ihr waren ebenfalls zum Halt gekommen. Neugierig schaute sie nach vorne, aber sie konnte nichts Besonderes entdecken. Dort schien alles wie immer zu sein: ein dunkles Grau ohne Konturen.
»Was ist los?«, fragte sie Anda.
»Unser Führer ist stehen geblieben. Also halten auch wir.«
Mela schaute zu Eneas, der einer Statue gleich ein Stück weit vor ihnen stand und leicht vornübergebeugt zu lauschen schien.
»Warum halten wir?«, rief Hendran unwirsch. »Rasten wir?«
Orcard bedeutete ihm mit einer knappen Geste zu schweigen, was der Wächter mit einem mürrischen Brummen quittierte. Doch er gehorchte.
Leise trat Mela neben Orcard und musterte Eneas erneut.
»Etwas stimmt
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