Der Untergang der Hölle (German Edition)
ich gar nicht anders, als wieder herauszukommen.«
»Das sagst du.«
»Wenn es Ihnen lieber ist, dass ich es unterlasse, gut … Ich dachte lediglich, es könnte hilfreich sein.«
Vee war amüsiert von dem Gedanken, dass sie gerade versuchte, die Gefühle eines dämonischen Gewehrs nicht zu verletzen. »Na gut, was soll’s. Dann schick deinen kleinen Delfin-Avatar mal auf Entdeckungsreise. Wo sind denn die Anschlüsse?«
Jay deutete auf einige Buchsen unter dem eingeschalteten Monitor an der Wand. Vee drückte das Ende seines ausziehbaren Verbindungskabels zusammen, zog es aus dem Korpus der Waffe heraus und schloss es an. Dann fegte sie einige zerbrochene Becher vom Arbeitsplatz unterhalb des Bildschirms und legte Jay dort ab.
Nach wenigen Augenblicken füllte eine Nahaufnahme von Jays Mund mit seinen vollen, fast weiblich wirkenden Lippen die Darstellung, wenn auch verschleiert durch das starke Bildrauschen. »Ich bin drin«, verkündete er durch einen Lautsprecher. Doch trotz der Größe des Motivs klang seine Stimme schwach und geisterhaft, als würde sie aus großer Entfernung kommen. »Mal sehen, was ich finden kann.«
»Ich warte solange.«
Sein Mund verschwand und ließ nur das Geflimmer zurück. Der durch das Bild laufende lateinische Text war verschwunden. Vee durchstöberte den Raum noch ein paar Minuten lang, dann kehrte sie ruhelos in den Gang zurück, schlenderte zu einem anderen offen stehenden Labor und wagte sich ins Innere.
Dieses Labor befand sich weitgehend im selben Zustand. Allerdings war hier eine Apparatur an der Wand befestigt, die sie als Augenspülstation für Notfälle erkannte. Sie ging hin und beugte sich darüber, trat auf ein Pedal und war überrascht, als zwei blubbernde Wasserstrahlen über dem Becken aufstiegen. Vee kostete von der Flüssigkeit, fand, dass es rostig, aber annehmbar schmeckte und trank gierig mehrere Schlucke. Als sie sich wieder erhob, verspürte sie ein leichtes Schwindelgefühl und etwas Übelkeit, weil sie ihren Bauch zu schnell mit zu viel Wasser gefüllt hatte, nachdem sie ihn mühsam darauf abgerichtet hatte, das Verlangen nach Nahrung zu ignorieren.
Als das Unwohlsein weitgehend abgeklungen war, beugte sie sich noch einmal über das Becken, diesmal, um sich das Gesicht zu waschen, das sich wie eine durchgehende Kruste aus getrocknetem Blut anfühlte. Sie wrang sich wieder und wieder die Haare aus, bis das Wasser, das abfloss, nicht länger rötlich gefärbt war. Dann schleuderte sie ihre klatschnasse Mähne aus der Stirn zurück und nahm ihre Umgebung näher in Augenschein.
Ein Aktenschrank lag auf der Seite. Papiere quollen aus den offenen Schubladen. Sie kniete sich hin, um einige davon zu untersuchen. Das meiste konnte sie lesen, doch es befanden sich auch Texte oder Formeln in einer Schrift darunter, die sie weder als Arabisch noch als indisches Devanagari identifizieren konnte, obwohl sie beidem zu ähneln schien. Als sie die Unterlagen auf den überhäuften Boden schleuderte, traf sie ein leichter Luftzug im Gesicht. Sie hob den Kopf und bemerkte ein Lüftungsgitter hinter dem Schrank in Bodennähe. Sehnige, grasartige Vegetation bahnte sich den Weg durch die Zwischenräume – ein Gewächs von geisterhaftem Weiß. Handelte es sich um eine einheimische Pflanzenart, die sich durch das Lüftungssystem gekämpft hatte, oder war es … eine Kreation des Grundstoffs?
Vee schob den Schrank ein Stück zur Seite und kauerte sich näher an das Gitter. Mit der Klinge ihres gestohlenen Kampfmessers gelang es ihr, die vier Schrauben zu lösen und die Abdeckung aus der Wand zu hebeln. Das Unkraut, das durch das Gitter herausgewachsen war, wirkte zerzaust, doch in dem Schacht wuchs noch mehr davon; zwar nicht genug, um die Öffnung zu verstopfen, aber trotzdem in rauen Mengen. Und alles davon war unpigmentiert. Ja, Grundstoff musste in das Lüftungssystem geweht worden sein, hatte sich dort angesammelt und Wurzeln geschlagen.
Vee erhob sich, schob das Messer in die Scheide zurück und keuchte, als sie ein großes Auge mit einer blutroten Iris entdeckte, das sie von einem Computerbildschirm anstarrte, welcher sich trotz des Einschusslochs in der Oberfläche lautlos eingeschaltet hatte. »Scheiße, Jay!«, schrie sie. »Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?«
»Entschuldigen Sie, Madam, aber Sie haben mich ebenfalls erschreckt. Ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen, aber umso besser. Ich habe etwas gefunden, das Sie sehen
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