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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Straße gehen, die besetzten palästinensischen Gebiete zu verlassen und die jüdischen Siedlungen zu räumen, hört man so gut wie keine Kritik an der israelischen Politik seitens der jüdischen Diaspora, obwohl mehr Juden im Ausland leben als in Israel selbst. »Die Diaspora hat ein schlechtes Gewissen. Die Leute sagen: Uns geht’s hier gut. Es steht uns nicht zu, den Menschen in Israel zu sagen, was sie tun und lassen sollen. Wir sollen sie einfach unterstützen, meinen sie«, antwortete Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Berlin auf meine Frage »Warum ist die Diaspora emotionaler und kompromissloser als die Menschen zu Hause?«.
    Es gibt Tausende von Palästinensern, die täglich nach Israel einreisen, um dort zu arbeiten. Ein palästinensischer Stipendiat, den ich in Bonn bei einer Tagung traf, nannte diese Menschen Kollaborateure und Verräter. »Solche Leute sind daran schuld, dass wir bis heute keinen eigenen Staat haben. Sie verkaufen unsere Sache für ein bisschen Geld.« Heute reisen Bosnier von bosnischen Dörfern in serbische, um dort billigen Mais zu kaufen. Viele von ihnen haben Familienmitglieder im Krieg verloren. Trotzdem geht das Leben für sie weiter. Denn sie haben zunächst einmal ganz elementar zu überlegen, wie sie ihre Kinder ernähren können. Ein Bosnier, der die Region verließ, als der Krieg ausbrach, sagte mir, er könne sich nie vorstellen, einem Serben die Hand zu reichen oder durch serbische Gebiete zu fahren.
    Eine derart starre Haltung wird oft von einer übertriebenen Religiosität begleitet, die sich als »symbolische Rückkehr« interpretieren lässt. Diese soll als eine Art Wiedergutmachung oder Entschädigung gegenüber der Heimat und der Familie dienen, denen man den Rücken gekehrt hat.
    Ein Emigrant kommt in der Regel mit einem bestimmten »Lebensprojekt« in die Fremde und interessiert sich wenig für die Umstände im Gastland. Genauso wenig interessiert sich das Gastland für das »Lebensprojekt« des Neuzugewanderten. Von ihm werden lediglich Loyalität und die Erfüllung der Aufgabe, für die er einwandern durfte, erwartet. Viele der Hoffnungen, die Menschen in die Emigration treiben, bleiben für die meisten, auch nach einem langen Aufenthalt in der Fremde, unerfüllt. Die Wünsche nach Reichtum, Freiheit, Unabhängigkeit und Mitsprache gehen nur für sehr wenige in Erfüllung. Für arme Neuzuwanderer bleibt auch in der Fremde das Verhältnis von Armut und Reichtum unverändert. Auch wenn man in der Fremde finanziell besser gestellt ist als zu Hause, ist man hier doch wiederum meistens der Ärmere.
    Interessant ist, dass die muslimischen Immigranten in Europa, solange Vollbeschäftigung unter ihnen herrschte, nie auf die Idee kamen, große repräsentative Moscheen zu bauen. Erst als aus den Gastarbeitern viele Gastarbeitslose geworden sind, wollten sie prachtvolle Gotteshäuser bauen, um zu beweisen, dass sie in Europa angekommen sind. Dafür gibt es eine plausible psychologische Erklärung: Da die meisten Immigranten weder durch großen Wohlstand noch durch Bildung ihre Integration vorweisen können, wollen sie dies durch die Errichtung der Gebetshäuser kompensieren: Manche kaufen sich eben einen dicken BMW , andere aber engagieren sich für den Bau von Moscheen, um zu zeigen, dass sie es in der Fremde zu etwas gebracht haben. Die andere Erklärung dafür ist die Zeitökonomie. Solange die Immigranten Beschäftigung hatten, hatten sie keine Zeit, um über solche Projekte nachzudenken. Erstaunlich ist, dass der Bau von Moscheen nun nicht nur von Immigranten, sondern auch von europäischen Politikern als Zeichen der Integration gedeutet wird. Abgesehen davon, dass prachtvolle Moscheen die Lebensverhältnisse der meisten muslimischen Einwanderer nicht widerspiegeln, kann deren Bau auch nicht der Beginn eines Integrationsprozesses sein. Erst wenn Einwanderer durch Teilhabe an Bildung und Wohlstand sich in die Gesellschaft eingliedern, können repräsentative Moscheen als Krönung des Integrationsprozesses errichtet werden. Erst dann würden diese bei der Mehrheitsbevölkerung nicht mehr auf Ablehnung stoßen.
    In der Fremde gehört man zu einer unterprivilegierten Minderheit. Vielfältige Abhängigkeiten vom Gastland, wie von der Aufenthaltsverlängerung, vom Asylverfahren, vom Arbeitgeber oder von der Sozialhilfe, bestimmen den Aufenthalt eines Muslims in Deutschland. Diese Abhängigkeiten verletzen den Stolz eines Mannes aus dem Orient. Man könnte

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