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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Ressentiments«, das mit dem Programm der Aufklärung nicht zu verwechseln sei. Was Herr Pflitsch zwischen den Zeilen sagen wollte, ist meines Erachtens dieses: »Was Kritik und was Aufklärung ist, das bestimmen immer noch wir. Muslime, die sich artikulieren können und das Heft in die Hand nehmen, gibt es nicht und darf es nicht geben, deshalb müssen wir Deutsche dies übernehmen, um Muslime vor sich selbst zu schützen.« Nein, vielen Dank, Herr Pflitsch, aber ich heile mich lieber selbst!
    Solche Beiträge mögen zwar gutgemeint sein, sie helfen uns aber keineswegs, zu einer ehrlichen Debatte zu gelangen, und bewegen die Muslime auch nicht dazu, die eigene Lethargie abzuwerfen. Im Gegenteil, diese Vorwürfe bestätigen die hartnäckigen Verschwörungstheorien und zementieren die Opferhaltung vieler Muslime.
    Man mag manche Islamkritik für überzogen oder provokativ halten. Ich persönlich bin nicht mit allem einverstanden, was Necla Kelek oder Henryk M. Broder sagen, und habe einiges an ihrem Stil zu kritisieren. Doch deren Islamkritik halte ich nicht für das Hauptproblem des Islam, sondern für einen Spiegel dieses Problems. Der Islam hat ein Problem mit sich selbst, mit seinen Ansprüchen und Weltbildern. Und ihm läuft die Zeit davon. Relativismus und Wundenlecken sind da die falschen Rezepte.
    Ein altägyptisches Sprichwort sagt: »Der wahre Freund bringt mich zum Weinen und weint mit mir. Der ist aber kein Freund, der mich zum Lachen bringt und innerlich über mich lacht.« Wer Muslime tatsächlich ernst nimmt, muss Islamkritik üben. Wer mit ihnen auf gleicher Augenhöhe reden will, sollte mit ihnen ehrlich sein, statt sie als Menschen mit Mobilitätsstörungen zu behandeln. Schlimm genug ist es, wenn jemand Menschen für Behinderte hält, die keine sind. Noch schlimmer ist es, wenn er anfängt, vor ihnen zu hinken, um die Behinderung vorzutäuschen, in der Illusion, sich mit ihnen dadurch zu solidarisieren.

    Tatsächlich sind die meisten Muslime, die im Westen wohnhaft sind, in keinen islamischen Vereinen organisiert und leben eher unauffällig, und sie spielen auch keine Rolle, weder bei der Öffnung des Islam Richtung Westen noch bei der Entschärfung der radikalen Tendenzen unter manchen Muslimen in der Fremde. Es ist wohl ihr gutes Recht, ihr Leben
nicht
islamisch interpretieren zu müssen oder sich für die Taten islamistischer Fanatiker zu entschuldigen. Doch genau aus den Reihen dieser säkularen Muslime kommen oft die am meisten beleidigten Reaktionen auf Islamkritik. Statt die tatsächlichen Probleme, die diese Religion mit sich selbst und der Welt hat, anzusprechen, sind sie eher damit beschäftigt, das Image des Islam in der Öffentlichkeit zu polieren. Sie kritisieren nie, was Muslime anderen Muslimen antun, sondern erheben ihre Stimme nur, wenn jemand den Islam angreift.
    Es ist offensichtlich, dass es in den vergangenen Jahren, vor allem seit dem 11 . September 2001 , und zwar sowohl seitens der Muslime als auch seitens der europäischen Politik, zu einer Islamisierung der Migrantenproblematik kam. Während die Politik bis in die neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts von »Gastarbeitern« sprach, wird seit dem Anfang des dritten Millenniums von »Muslimen in Deutschland« gesprochen. Heute betonen mehr Muslime in Deutschland ihre muslimische Identität und legen Wert darauf, ihre religiösen Symbole in der Öffentlichkeit zu zeigen. Hinter dieser neuen Sichtbarkeit steckt aber nicht, wie häufig angenommen wird, die Omnipotenz des Islam, sondern eher eine wachsende Unsicherheit unter muslimischen Einwanderern. Ihre Haltung zu den Konflikten in ihren Heimatländern wird dadurch oft verkrampft. Anders als die Menschen in der Heimat, die einen Konflikt manchmal rational und praxisbezogen interpretieren können, neigt die Diasporagemeinschaft häufig dazu, zu Konflikten in den Herkunftsregionen in einer praxisfernen Emotionalität Stellung zu beziehen.
    Nehmen wir den Nahostkonflikt als Beispiel, so können wir beobachten, dass besonders unversöhnliche Töne und besonders kompromisslose Haltungen vor allem aus Kreisen der muslimischen und jüdischen Gemeinden in den USA und Europa zu hören sind. Während die Menschen vor Ort miteinander ringen und verhandeln, um praktikable Lösungen zu finden, glauben in der Diaspora die wenigsten an den Dialog und die Möglichkeit vernünftiger Kompromisse. Während in Israel regelmäßig Tausende mit der Forderung an die eigene Regierung auf die

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