Der Untergang der islamischen Welt
mindestens fünf Minuten zu spät kommt. In Japan setzt die Verspätung bereits nach fünfzehn Sekunden ein.
Das japanische Wort für Integration mag die Haltung von Frau Seki erklären:
yuuwa,
besteht aus zwei chinesischen Zeichen, das erste heißt »verschmelzen«, das zweite »Harmonie«. Verschmelzen in Harmonie ist das Konzept für Integration, wie der Japaner es versteht. Selbstverständlich leben auch Japaner in Parallelgesellschaften in Düsseldorf, Paris, Kopenhagen und London. Sie feiern ihre Feste, trinken Saki, kochen japanisch und pflegen ihre Gewohnheiten. Aber wenn sie auf der Straße gehen, bestehen sie nicht auf ihre Eigenheiten und stellen durch ihr Erscheinungsbild kein Sonderbewusstsein zur Schau. Vietnamesen, Thailänder und Peruaner verhalten sich nicht anders. Über diese spricht man nicht, wenn man Ausländerproblematik oder Integration in Europa thematisiert. Nein, es steht fast immer die gleiche Gruppe von Emigranten im Mittelpunkt, weil sie auf ihrer Besonderheit im öffentlichen und im privaten Raum insistiert. Es sind immer Muslime, die ihren Migrationshintergrund in den Vordergrund stellen. Keine andere Emigrantengruppe verbietet sonst den eigenen Kindern, aus religiösen oder aus traditionellen Gründen an Klassenfahrten oder am Schwimmunterricht teilzunehmen. In England legte ein muslimischer Busfahrer eine Pause ein, mitten auf seiner Route, und fing an, vor den Fahrgästen zu beten. In Dänemark klagte eine muslimische Kindergärtnerin, weil ihr das Tragen der Burka im Kindergarten verboten wurde. In Berlin klagte ein Schüler vor Gericht, um einen Gebetsraum an seiner Schule eingerichtet zu bekommen. In Frankreich verlangten muslimische Fabrikarbeiter in ihren Betrieben nach islamisch geschlachtetem Fleisch in den Kantinen. Als ihnen dies zugestanden wurde, verlangten sie in der Kantine einen getrennten Bereich, damit das Halal-Fleisch nicht neben dem unreinen Schweinefleisch stehe.
Das Wort für Integration auf Arabisch,
indimadj,
bedeutet zwar ebenfalls »verschmelzen«. Aber »verschmelzen« im arabischen Verständnis hat eine sehr negative Konnotation und meint eher »sich auflösen«. Ich sehe viele muslimische Emigranten wie einen Würfel Eis und die Mehrheitsgesellschaft wie ein Glas Wasser. Um die Form des Würfels zu bewahren, wird viel Energie gebraucht und viel Widerstand geleistet. Der Würfel verharrt lieber im Gefrierfach. Dies hindert viele Emigrantenkinder daran, eine positive Beziehung zu ihrem Geburtsland zu entwickeln. Anspruchsmentalität und der Wunsch nach Bewahrung oder Verteidigung der Identität hemmt ihre sozialen Kompetenzen und verstärkt ihre Isolation, was ich als wichtigste Voraussetzungen für eine mögliche Radikalisierung werte.
In Europa gibt es drei Formen der Radikalisierung unter muslimischen Einwanderern, die oft miteinander vermischt und allesamt fälschlicherweise als »islamisch« interpretiert werden. Erstens gibt es den
archaischen Konservatismus
, eine Tendenz, die häufig in Migrantengruppen vorkommt, die aus ländlichen, patriarchalisch geprägten Regionen stammen, in denen der Bildungsstand niedrig ist und Stammesgesetze angewendet werden. Diese Form muss nicht notwendigerweise auf religiösen Überzeugungen beruhen. Dennoch wird die Religion häufig für alle möglichen Ansichten und Handlungen instrumentalisiert. Die Gewalt, die in dieser Atmosphäre entsteht, ist für gewöhnlich nicht gegen das Gastland gerichtet. Vielmehr werden die »Abtrünnigen« der Diaspora-Gemeinschaft Opfer familiärer Gewalt, da ihnen die Gefährdung der Integrität und Stabilität dieser Gemeinschaft und ihrer Werte zur Last gelegt wird. Beispiele für diese Form der Radikalisierung sind Ehrenmord und Zwangsheirat. Charakteristisch für diese Milieus sind Forderungen nach bedingungsloser Solidarität und sozialer oder moralischer Kontrolle.
Zweitens sind junge Menschen, die in schwachen sozialen Strukturen aufwachsen, besonders anfällig für eine Form der Radikalisierung, die ich als
Eskapismus
bezeichnen möchte. In diesen Fällen ist weder die eigene Familie noch die Gastgesellschaft in der Lage, eine adäquate Lebensführung anzubieten. Frustration und mangelnde berufliche Perspektiven treiben diese Jugendlichen an, kriminelle Banden zu bilden, die zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen neigen. Ob in Berlin-Neukölln, im Stadtviertel Nørrebro in Kopenhagen oder in Malmö in Schweden, in Brüssel, in Birmingham oder in den Vorstädten von Paris,
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