Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
Vom Netzwerk:
Muslime in Europa zu haben. Diese interpretieren die Aussage des Propheten über die Wiedergeburt des Islam in der Fremde kämpferischer und fundamentalistischer: In einer Moschee in Paris hörte ich, wie der Imam Mohameds Worte so auslegte:
    »Die Herrscher in der islamischen Welt sind unislamisch und unterdrücken die Gläubigen. Die Herrscher hier (in Europa) sind auch unislamisch, aber sie garantieren zumindest, dass wir unseren Glauben einigermaßen frei ausüben können. Dadurch können wir uns versammeln, ohne Angst davor zu haben, verhaftet zu werden. Deshalb sollten wir den Konflikt mit den Systemen hier nicht suchen. Wir müssen diese Freiheit nutzen, um uns neu zu organisieren. Die zweite Geburt der Macht des Islam wird hier erfolgen. Und wenn der Sieg Gottes kommt, werden die Ungläubigen hier den Islam scharenweise annehmen. Auch der Islam ist in einem Migrationskontext in Medina geboren. Muslime waren dort fremd und schwach, doch später konnten sie mit Allahs Hilfe den Staat Gottes errichten, bevor sie den Islam nach Mekka zurücktrugen. Auch wir können einen starken Islam in die islamische Welt zurückexportieren. Das sind wir unseren unterdrückten Brüdern dort schuldig.«
    Die Worte jenes Pariser Imams erinnern an Recep Tayyip Erdoğans Rede, bevor er Ministerpräsident der Türkei wurde. Darin betonte er: Die Demokratie sei nur der Zug, auf den er aufsteige, bis er am Ziel sei. Die Moscheen seien Kasernen, die Minarette Bajonette, die Kuppeln Helme und die Gläubigen seien Soldaten.
    Genau da sehe ich das Hauptproblem der muslimischen Emigranten in Europa und Nordamerika. Statt die Freiheit zu nutzen, um sich von autoritärem Denken und Herrschaftsansprüchen zu lösen und eine neue Theologie auf der Basis der Vernunft in Europa entstehen zu lassen, benutzen sie die demokratischen Mittel, um die Demokratie zu unterwandern. In Kanada und Großbritannien kämpfen Muslime seit Jahren, um die Scharia, zumindest teilweise, einzuführen. In Großbritannien sollen sogar, laut einem Bericht der britischen Zeitung »Guardian«, bereits fünfundachtzig Scharia-Gerichte Teil des britischen Justizsystems sein. Die muslimischen Eiferer können nicht verstehen, dass viele Einwanderer aus den islamischen Ländern ihre Länder auch wegen der Brutalität der Scharia verlassen haben. Natürlich betonen sie, dass nur Scharia
light,
also ohne Steinigung und Händeabhacken, im Westen implementiert werden soll, um die familiären Konflikte untereinander islamisch zu regeln. Doch die Geisteshaltung, die die westlichen Zivilgesetze in dieser Hinsicht als mangelhaft betrachtet, ist weitaus gefährlicher als die bloße Einführung der Scharia-Gesetze. Deshalb ist nicht Scharia
light,
sondern Islam
light,
ohne Scharia und Dschihad in meinen Augen die einzige Lösung.
    Statt ihr Leben im Westen als Ansporn für eine tatsächliche Erneuerung des islamischen Denkens zu sehen, um dieses später in ihre Ursprungsländer zu exportieren, wollen viele in der Fremde lebende Muslime das veraltete Denken aus der Heimat importieren, im Gefrierfach der Tradition einfrieren und nennen das »Identität«. Statt Akteure zu werden, um die islamische Welt aus der Isolation zu holen und als Kulturvermittler zu dienen, isolieren sich die Emigranten selbst und leben sogar strenger religiös als viele in jenen Ländern, denen sie entstammen. Strenger Moralkodex und unversöhnliche, puristische Lebensformen sind sichtbare Phänomene unter muslimischen Emigranten.
    Unterstützt werden die Bemühungen der Muslime, sich abzuschotten, von vielen Europäern, wie von Bischof Williams von Canterbury, der die Scharia in Großbritannien gutheißt. Dies tut er selbstverständlich nicht im Namen der christlichen Nächstenliebe, sondern um für seine Kirche selbst mehr Einfluss auf die Justiz und die Politik zu gewinnen. Ähnlich verhalten sich linke Intellektuelle, die Islamkritik in Europa gerne mit Rassismus gleichsetzen und dadurch die Streitkultur noch mehr verkrampfen. Ein Maulkorb wird schneller verpasst als jedem Argument mit einem Gegenargument begegnet. Die Sarrazin- und die Minarett-Debatte haben dies verdeutlicht. Die Kritik wird oft nur als Stimmungsmache und Wasser auf den Mühlen der Fremdenfeindlichkeit gesehen. Der Vergleich zwischen Islamkritik und Antisemitismus ist ein typisches Argument. Man erinnert an die schrecklichen Ereignisse vor siebzig Jahren in Deutschland, um anzudeuten, dass die Muslime die Juden von heute seien. Damals

Weitere Kostenlose Bücher