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Der Untergang der Shaido

Der Untergang der Shaido

Titel: Der Untergang der Shaido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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spielte keine Rolle, wer von ihnen sie besser machte, solange sie nur erfolgte. Aber es gab Augenblicke, in denen es den Gang zu Silvianas Arbeitszimmer viel schwerer machte. Dennoch konnte sie Erfolge vorweisen. Gewissermaßen.
    Da war dieser erste Nachmittag in Bennae Nalsads vollg estopftem Wohnzimmer. Überall stapelten sich Bücher auf den Bodenfliesen, und die Regalbretter waren voller Knochen und Schädel und präparierten Häuten von Tieren, Vögeln und Schlangen sowie ausgestopften Exemplaren von einigen kleineren Spezies; auf einem großen Bärenschädel hockte eine große braune Echse so reglos, dass man sie auch für ausgestopft hielt, bis sie blinzelte. An diesem ersten Nachmittag befahl ihr die Braune aus Schienar, eine erschöpfende Reihe an Geweben nach der anderen zu weben. Bennae saß auf einem hochlehnigen Stuhl an der Seite des braun geäderten Marmorkamins, Egwene mit entschiedenem Unbehagen auf der anderen. Man hatte sie nicht gebeten, sich zu setzen, aber Bennae hatte auch keine Einwände erhoben.
    Egwene erschuf jedes gewünschte Gewebe, bis Bennae beil äufig nach dem Gewebe für das Schnelle Reisen fragte, und dann lächelte sie bloß und legte die Hände in den Schoß. Die Schwester lehnte sich zurück und zupfte an den dunkelbraunen Seidenröcken herum. Bennaes Augen waren blau und scharf, das dunkle Haar in dem Silbernetz mit vielen grauen Strähnen durchzogen. Zwei ihrer Finger wiesen Tintenflecken auf, ein weiterer saß auf ihrem Nasenflügel. Sie hielt eine Porz ellantasse mit Tee, aber Egwene hatte sie keinen angeboten.
    »Ich glaube, es gibt nur noch wenig in der Macht, das Ihr lernen könnt, Kind, vor allem, wenn man Eure wundervollen Entdeckungen in Betracht zieht.« Egwene neigte den Kopf, akzeptierte das Kompliment. Manche dieser Dinge waren wirklich ihre Entdeckung, davon abgesehen spielte das jetzt wirklich keine Rolle mehr. »Aber das bedeutet nicht, dass es für Euch gar nichts mehr zu lernen gibt. Ihr habt ein paar Novizinnenklassen mitgemacht, bevor Ihr…« Die Braune bedachte Egwenes weißes Kleid mit einem Stirnrunzeln und räusperte sich. »Und weniger Lektionen als… nun, lassen wir das erst mal. Sagt mir, falls Ihr es wisst, welche Fehler hat Shein Chunla gemacht, die den Dritten Krieg vor Garens Wall auslöste? Was waren die Gründe für den Großen Winterkrieg zwischen Andor und Cairhien? Was hat die Weikinrebellion ausgelöst, und wie hat sie geendet? Geschichte scheint größtenteils das Studium von Kriegen zu sein, und unser Interesse richtet sich vornehmlich darauf, warum und wie sie entstanden und warum sie endeten. Viele große Kriege hätten nie stattgefunden, hätten die Leute die Fehler beachtet, die andere vor ihnen begingen. Nun?«
    »Shein hat keine Fehler gemacht«, sagte Egwene langsam, »aber Ihr habt Recht, ich muss noch viel lernen. Ich kenne nicht einmal die Namen dieser anderen Kriege.« Sie stand auf und goss sich eine Tasse Tee aus der Silberkanne auf dem Beistelltisch ein. Abgesehen von dem Silbertablett befanden sich noch ein ausgestopfter Luchs und ein Schlangenschädel auf dem Tisch. Und der war so groß wie der Totenschädel eines Mannes!
    Bennae runzelte die Stirn, aber nicht wegen des Tees. Das schien sie kaum zu bemerken. »Wie kommt Ihr darauf, dass Shein keine Fehler gemacht hat, Kind? Sie hat die Situation so schlimm verpfuscht, wie es schlimmer nicht ging.«
    »Lange vor dem Dritten Krieg an Garens Wall«, sagte Egwene und kehrte zu ihrem Stuhl zurück, »hat Shein genau das getan, was der Saal ihr befohlen hatte, und nichts, was er nicht gesagt hatte.« Auf anderen Gebieten der Geschichte mochte sie ihre Lücken haben, aber Siuan hatte sie ausgiebig in den Fehlern anderer Amyrlins unterrichtet. Und vor allem diese Frage ermöglichte ihr eine Öffnung. Sich ganz normal hinzusetzen kostete eine Anstrengung.
    »Wovon redet Ihr da?«
    »Sie hat versucht, die Burg mit eiserner Faust zu regieren, hat niemals Kompromisse gemacht, hat jede Opposition rücksichtslos unterdrückt. Der Saal wurde das leid, aber sie konnten sich nicht auf einen Ersatz einigen, und statt sie abzusetzen, taten sie etwas viel Schlimmeres. Sie beließen sie in ihrem Amt und zwangen ihr eine Buße auf für jedes Mal, wenn sie einen Befehl geben wollte. Egal was für einen Befehl.« Ihr war klar, dass sie klang, als wäre sie hier die Lehrerin, aber sie musste es loswerden. Es fiel schwer, nicht das Gewicht auf dem harten Holz des Stuhlsitzes zu verlagern. Den

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