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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ein Bild in meine Erinnerung: das ausgeraubte Raumschiff ein paar tausend Meter weiter, Zierleisten fehlten dort, Verkleidungen…
    Schließlich bekamen wir doch noch unser zünftiges Kesselgulasch!
    Mary stellte sich geschickt an, ließ sich einzelne Handreichungen mit sehr viel Verständnis anordnen, natürlich zeigte ich auch oft auf die Dinge, die ich benötigte, die sie mir zureichen sollte. Dabei mußte man folgendes beachten: Sie war offenbar nicht in der Lage, geistig zwei Dinge gleichzeitig zu verkraften. Ich versuchte während des Kochens eine Konversation. Aber wenn es nicht mehr um die Zubereitung der Speise ging, war es aus.
    Ein jeder von uns fragte sie das, was am meisten interessierte: nach der Wohnstadt, wie viele dort lebten, nach der Art des Wohnens. Aber sie zeigte stets nur in den Wald, zwar immer in ein und dieselbe Richtung, und sie wiederholte »Haus«, wenn wir »Haus« sagten, doch sicher, ob es dort wirklich Häuser gab, konnten wir nicht sein.
    Während des Kochens und auch später versuchte ich, nur mit Worten auszukommen. Und nach einigen Ansätzen blieben nach dieser Methode keine Wünsche offen.
    Ich forderte verkürzt: »Mary, Löffel«, ohne mich ihr zuzuwenden. Sie brachte mir behend das Gewünschte. Und als ich sie dafür lobte, lächelte sie.
    Nach dem Essen, bei dem sie kräftig zugelangt hatte, spülten wir das Geschirr, und wieder funktionierte es gut, obwohl ich diesmal Begriffe verwendete, die wir sie erst gelehrt hatten, zum Beispiel »Teller«. Übrigens, als ihr einer entzweiging, lachte sie und ging zur Tagesordnung über.
    Nachmittags hielten wir bewußt Ruhe. Ich glaube, während der gesamten Reise im Wachzustand waren es die ersten Stunden des Nichtstuns. Natürlich lag auch dem eine Absicht zugrunde: Erstens brauchte Mary Schonung. Lisa hatte sie zwar mit Medikamenten versorgt – die Mary ohne Widerstand nahm –, und die Genesung schritt voran, aber die gebrochenen Rippen mußten Schmerzen bereiten. Zweitens jedoch wollten wir Marys Aktivitäten nicht stets in eine bestimmte Richtung lenken, die von dem, was wir eigentlich besprechen wollten, wegführen könnte. Mit allen möglichen Redewendungen fragten wir, wie groß die Gemeinschaft sei, zu der Mary gehörte. Bis ich mit den Fingern anfing. Jedem von uns ordnete ich einen zu. Danach faßte ich Marys Daumen, sagte »Mary« und tippte ihr auf die Brust. Dann nahm ich weitere Finger, drei nacheinander, und deutete auf den Waldrand, auf die Stelle, wo wir die Fremdlinge zuerst gesehen hatten. Als ich das Ganze wiederholte, kapierte sie, und ich sah mich beifallsheischend um.
    Mary nahm den Daumen und sagte: »Mary«, den Zeigefinger: »Von«, den Mittelfinger: »Tschina« und den Ringfinger: »Wann«.
    Da hatten wir also die vier. Wobei »Von« durchaus »Yvonne« und »Wann« auch »Iwan« heißen konnte. Wir deuteten es so.
    Als sie den Ringfinger hielt, der Iwan hieß, sah ich meine Chance: Ich wackelte an ihrem kleinen Finger, machte große Gesten zum Wald hin, die Ferne andeuten sollten, und ließ nicht los.
    Und dann schien es, als begriffe sie: »Hilda« sagte sie, »Mutter«. Ich hätte jubeln mögen.
    Sie nahm den Daumen der anderen Hand: »Sef, Vater«, und dann ging es in rascher Folge, wobei die Finger zwar zur Hilfe genommen wurden, aber nicht mehr die Hauptrolle spielten: »Sofi, Bern, Natasch, Hamp, Gesin…« Danach fügte sie etwas ein, was wir nicht verstanden, und erneut begann sie Namen aufzuzählen, die irgendwie einen bekannten, doch fast ausschließlich einen verkürzten Stamm hatten. Übrigens, »Brun« und »Sam« befanden sich auch darunter.
    Dann unterbrach sie die Aufzählerei, hob die Arme, wippte mit den
Händen und sagte: »Viele, viele…«
Na, das war doch ein Erfolg!
    Wir freuten uns alle und brachten das auch zum Ausdruck. Damit schien sich bei ihr ein umfassenderes Begreifen unserer Wünsche einzustellen. Sie strengte sich sichtlich an und teilte uns mit, und wieder nahm sie die Finger zur Unterstützung: »Lili Burgmeister, Anne Mediz, Bella Richt…« »Die Prominenz«, flüsterte ich.
    Mary nannte noch einige, deren Funktionen wir aber nicht begriffen. Da sie zu einer namens Bets »Topf« sagte, nahmen wir an, es handelte sich vielleicht um Handwerker.
    »Nicht ein Männername bei deiner Prominenz«, bemerkte Lisa sehr nachdenklich, und es klang wie eine Entdeckung.
    »Die wichtigen Ämter durch Frauen besetzt«, knüpfte Inge an. »Matriarchat?« Sie sah uns an.
    »Das wäre

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