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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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andere…? Ja, das »Dorf«… Aber falls es tatsächlich eine Siedlung war, was wir da aus dem Orbit beobachtet hatten, wer sagte, daß Dornröschen von dort stammte? Lisa hatte der Verletzten einen Druckverband angelegt, den diese akzeptierte, und begann sie mit leichter Kost zu versorgen.
    Dornröschen zeigte keinerlei Scheu. Das heißt nicht, daß es nicht vorsichtig an Unbekanntes heranging. Es verhielt sich, der Vergleich sei mir. verziehen, wie ein Hund, der zunächst an dem schnuppert, was man ihm vorsetzt. Was es als unbedenklich empfand, verschluckte es mit großem Appetit. Dabei war es nicht etwa ein Hungertyp. Es hatte auch nach unserem Geschmack eine sehr gute Figur und eher kleine Fettpölsterchen. Verständigungsversuchen widerstand die Fremde zunächst. Sie hörte sehr aufmerksam zu, wenn man mit ihr sprach, war aber in den ersten Stunden zu keinem Mucks zu bewegen.
    Und dann warf es uns beinahe – wie man so sagt – von den Stühlen, denn sie begann die Konversation, indem sie nach einer zweiten Tasse Hühnerbrühe sich genüßlich mit dem Handrücken den Mund wischte, dann mit dem Zeigefinger auf sich deutete und laut und vernehmlich mit angenehmer Stimme »Mary« sagte.
    Es war einfach nicht zu fassen! Wir hätten statt meiner, dem Anthropologen, einen Psychiater mitnehmen sollen… Da fliegt man Jahre durch den Raum, findet einen lebenstrotzenden Planeten, trifft dort nackte Wilde, die sich einem wie selbstverständlich mit dem alten biblischen und verenglischten Namen Mary vorstellen!
    Dann, als wir nach der ersten Überraschung höflicherweise unsere Namen nannten, stutzte sie zweimal. Das erstemal, daß wir ihr über den Bildschirm erschienen, und das zweitemal bei dem Namen Friedrun. Uns kam es nicht anders vor, als daß ihr Bruno, Inge, Sam, Carlos und Lisa geläufig klangen…
    »Es kann gar nicht anders sein«, Friedrun vervollständigte ihre Hypothese, »die sind von denen erzogen, missioniert sozusagen!«
    Jeder von uns wußte, wen sie mit »die« und »denen« meinte.
    »Oder, das paßte auch, sie ist eine von – denen!« warf ich betont ein. Für mich lag eine solche Vermutung auf der Hand, ich wunderte mich nur, sie nicht eher ausgesprochen zu haben. Für die Gefährten kam sie überraschend.
    »Du bist verrückt!« versicherte Friedrun. »Kannst du dir die vier in der Kommandobrücke des Schiffs da drüben vorstellen?«
    Das konnte ich natürlich nicht, und ich wollte auch nicht abermals darauf aufmerksam machen, daß es auf Ort, Zeit und Umstände ankäme. »Wir müssen Englisch lernen«, behauptete Carlos, und er sprach mir aus dem Herzen.
    »Und wie?« fragte Friedrun spitz. Sie hatte offenbar einen schlechten Tag. »Hast du dir etwa heimlich ein Wörterbuch eingesteckt, so für alle Fälle – oder es findet jemand zufällig eines.« Sie sprach keineswegs nur im Scherz. Allmählich zehrte das Herumgetapse im Dunkeln an den Nerven.
    »So problematisch sehe ich das nicht«, sagte Inge mit einiger Bestimmtheit. »Es gibt in dem alten Kasten eine Menge Beschriftungen, deren Bedeutung wir kennen. Wir programmieren einen Computer.« »Na, das wird etwas werden«, entgegnete Friedrun skeptisch. »Soweit ich mich erinnern kann, sprachen die ganz anders, als sie schrieben…« Carlos hob in komischer Verzweiflung die Schultern. »Weißt du etwas anderes?« fragte er, und es klang schon ein wenig fatalistisch.
    »Woher wollt ihr wissen, daß die alle englisch sprechen?« fragte da Bruno. Im allgemeinen mischte er sich in derart spekulative Dispute nicht ein. »Nur weil die Kleine Mary heißt? – Sam, um diese Zeit, zweitausendachtzig, war doch die Intersprache schon weit verbreitet. Und wenn auch die Beschriftung so ist – der Teufel weiß, warum –, kann man doch nicht davon ausgehen, daß dies ein englisches oder meinetwegen auch amerikanisches Schiff ist. Ich bin überzeugt, es hatte eine ganz und gar internationale Besatzung, schon der Symbolik wegen. Also lernen wir zunächst nicht Englisch, zumal Friedrun sicher recht hat in bezug auf das Sprechen…«
    Mary verkraftete ihre Verletzungen bestens, so daß sie am nächsten Tag bereits aufstehen durfte, das heißt, sie tat es, und Lisa hatte nichts dagegen.
    Die Frauen verpaßten unserem Dornröschen ein leichtes Hauskleid, worauf es sich vor dem Spiegel echt weiblich in allerlei Posen wand, dann das Ding von sich warf und fortan nicht mehr zu bewegen war, irgend etwas anzuziehen.

    Das Gute daran war, sie begann in diesen

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