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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Zusammenhängen zu sprechen. Und was uns ganz glücklich stimmte, wir verstanden jedes dritte, vierte Wort – oder glaubten zunächst, es zu verstehen –, auch wenn es beinahe bis zur Unkenntlichkeit verschliffen klang.
    Natürlich klärte auch dieses Phänomen die Frage ihrer Herkunft nicht. Aber immerhin konnten wir nunmehr getrost davon ausgehen, auf das Wirken jener Pioniere gestoßen zu sein und zu einer Kommunikation zu kommen.
    Nach wie vor konnten wir Mary mit unserem Umfeld kaum überraschen. Sie betrachtete alle Gegenstände, mit denen sie in Berührung kam, aufmerksam, war sich schnell bewußt, daß sie im Grunde keine Gefahr bargen, sie vertraute uns offenbar. Aber sobald sie das Funktionelle erkannt hatte, wurden die Dinge für sie Alltag. Zum Beispiel verrichtete sie ihre Notdurft zwar im Badezimmer, aber ohne die üblichen Einrichtun gen zu verwenden. Ein einmaliges Erklären Lisas genügte, und sie benutzte das WC, als ob sie niemals etwas anderes getan hätte.
    Mary erwies sich also als intelligent und lernfähig; dennoch tat sie das, was sie aus ihrer Erfahrung für richtig hielt. Sie aß grundsätzlich mit den Fingern. Und auch der zehnmalige Hinweis und Vorführungen entlockten ihr lediglich ein Lächeln, und sie griff mit den Fingern zu. Für flüssige Speisen aber nahm sie selbstverständlich einen Löffel.
    Von Sauberkeit im allgemeinen hielt Mary nicht viel. Sie ließ Abfälle zu Boden fallen, wo sie sich gerade befand und diese anfielen. Dinge, von denen wir annahmen, daß sie nicht zu ihrem täglichen Umgang zählten, wie Geschirr, Sanitäreinrichtungen, hinterließ sie, wie sie sie benutzt hatte. Auch die Körperpflege und Sauberhaltung übertrieb sie nicht, aber sie badete am Tag, wenn es anging, dreimal mit dem größten Vergnügen und weichte das Bad dabei von oben bis unten völlig ein.
    Mit den Abfällen überraschte sie uns aber doch: Am Abend des zweiten Tages fanden wir Papier, Obstreste, zu einem Häufchen getürmt, innen vor der Tür. Und ich bin überzeugt, hätte sie die Tür öffnen dürfen, sie hätte den Unrat hinausbefördert.
    Am darauffolgenden Tag versuchten wir herauszufinden, wie man mit ihr ins Gespräch kommen könnte. Denn selbstverständlich hofften wir, etwas über ihre Herkunft und ihre, ja, Mitbürger zu erfahren.
    Wir spannten einen Baldachin und verlegten die Mahlzeiten ins Freie, in der Annahme, daß dies mehr ihren Gepflogenheiten entspreche und sie sich im gewohnten Umfeld ungezwungener geben werde.
    Ganz nebenbei machten wir so eine wichtige Entdeckung. Ich war auf den Gedanken gekommen, eben aus den genannten Gründen, eine Mahlzeit zünftig am Feuer zu bereiten, was allgemeine Zustimmung fand. Wir bereiteten also ein kräftiges Kesselgulasch vor, und ich sollte unter Einbeziehung unseres Gastes dazu das Feuer richten.
    Schon meine Vorbereitungen betrachtete Mary mit großen, erstaunten Augen.
    Ich versuchte Feuer zu machen, wie ich es kannte, nahm ein Knäuel Papier, schichtete darum dünne Äste, die halbwegs trocken waren. Solche zu finden bedeutete schon Mühe. Alles Abgestorbene war bis zum Sättigungsgrad mit Wasser vollgesogen. Nun, mit etwas Spiritus wollte ich das ausgleichen. Ich spaltete sogar einige Scheite zu dünnen Stäbchen. Ein wenig schwang in mir Ehrgeiz, dem Naturmädchen zu zeigen, daß man die Urverrichtungen der Menschen noch beherrschte… Als ich meinen kleinen Scheiterhaufen beisammen hatte, übergoß ich ihn mit reichlich Spiritus und hielt die Flamme daran. Natürlich loderte es im Nu hell auf, worauf mich Mary zunächst ungläubig, dann bewundernd ansah. Sie klatschte sogar freudig in die Hände.
    Ihr frohes Lachen aber verwandelte sich zusehends in spöttisches. Tatsächlich, sie griente spöttisch, ich empfand sogar, hämisch! Und das nahm in dem Maße zu, in dem meine Flamme in sich zusammenfiel, und das tat sie, je mehr der Spiritus verbrannte.
    Ich schwappte Flüssigkeit nach. Doch das änderte nichts an der Tatsache, daß das Holz auf Flora nicht selbständig brannte! Es verkohlte, glimmte und glühte, zerfiel zu Asche im Fremdfeuer, unterhielt aber kein eigenes…
    Das wußte Mary natürlich, und ich – ein gottähnliches Wesen, wie Friedrun meinte – hatte mich gründlich blamiert.
    Ich rannte ins Schiff, besann mich im letzten Augenblick, daß ich nicht überallhin durfte, und bat dann die Frauen, mir nicht mehr benötigtes Verpackungsmaterial, auch Holz und brennbare Kunststoffe herauszugeben… Und dabei klappte

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