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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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eine Erklärung«, bestätigte ich. »Dennoch bleibt die Frage – sind das Ureinwohner, von ihnen stark beeinflußt, oder sind sie es selbst…?«
    Meine wiederholte Frage in dieser Richtung rief abermals Widerspruch hervor.
    »Wie kannst du an einem solchen Gedanken festhalten«, entrüstete sich Lisa. »Sie haben seinerzeit bestimmt sorgfältiger ausgewählt als wir heute. Wir verlassen uns auf den Computer, und fertig!«
    »He, he!« Carlos lachte. »Bist du mit seiner Wahl nicht zufrieden?« »Ach du!« Lisa tat verärgert und wandte sich ab.

    Eigentlich schämten wir uns ein wenig, die Fremde unter ständiger Beobachtung zu haben. Als wir vor dem Regen wieder zurück ins Schiff gingen, folgte sie uns bereitwillig, und sie zeigte keinerlei Widerstand, als wir sie in ihrem Reich, der Isostation, allein ließen. Sie deutete an, schlafen zu wollen.
    Na, ein wenig hinterlistig war sie doch! Kaum daß sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, nahm sie ein Messer und wandte sich der wunderschönen, von den besten Designern der Erde entworfenen Sitzgarnitur aus hellgrauem Nappon zu.
    Da sie sehr zielgerichtet vorging, stand für mich fest, daß sie keinen spontanen Einfall verwirklichte – aber von wegen schlafen! – Ich bat die Gefährten, wie ich zu beobachten, doch keinesfalls einzugreifen. Mary setzte das Messer an und zog es längs durch die Couch, einmal, zweimal, dreimal… Das Material ächzte und flatschte auseinander. Sie hob die ebenmäßig geschnittenen Streifen heraus, setzte sich bequem in den unbeschädigten Sessel und piekte mit einer Nagelschere Löcher in das Herausgeschnittene. Das machte sie mit Geschick, schnell, aber ohne Hast.
    Danach beugte sie sich abermals über die Liege, schnitt, mit der Nagelschere diesmal, ein weiteres Stück heraus, zerlegte es in feine Bändchen und prüfte einige auf ihre Zerreißfestigkeit. Offenbar fiel die Probe zur Zufriedenheit aus, denn sie beugte sich tiefer und strapazierte erneut die Nagelschere. Die so gewonnenen Senkel fädelte sie in die Löcher der Streifen und schnürte diese, wie wir das bereits bei ihren Gefährten gesehen hatten, an Arme und Beine.
    Und tatsächlich, sie trat vor den Spiegel, drehte und wendete sich wie ein Mannequin in einer Snobschau. Uns, die wir sehr interessiert zusahen, blieb buchstäblich die Sprache weg.
    Dann, wie bedauernd, entledigte sie sich der Streifen, rollte sie sorgfäl
tig zusammen und steckte sie mit dem Messer und der Nagelschere in
ein Sitzkissen. Danach breitete sie sorgfältig eine Decke über das lädierte
Sofa.
»So ein Luder«, sagte Bruno.
Wir lachten.
    »Die hat es faustdick hinter den Ohren!« bemerkte Carlos.
    Was mich verwunderte: Die einzelnen Tätigkeiten flossen so ineinander über, daß ein geistiges Projekt dafür bestehen mußte. Sie hatte keine Sekunde überlegt oder gesucht… Also ein Primitivling war sie nicht. Ich sprach das Resultat meiner Überlegung abermals aus: »Sie ist eine von denen, ein unmittelbarer Nachkomme…« »Ein Kretin dann«, meinte Inge.
    Sie erntete ringsherum Protest. »Hältst du das, was wir eben gesehen haben, für die Handlungen eines Kretins? Die ist im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, das kannst du mir glauben…«
    »Doch«, sagte Inge beharrlich, »aber eben ihrer geistigen Kräfte, und mit denen ist es insgesamt nicht weit her. Deshalb glaube ich Sam nicht.« »Morgen nach dem Frühstück brechen wir auf«, ordnete da plötzlich Bruno an. »Wohin?« fragte Lisa erstaunt.
    Uns andere hatte Brunos Festlegung auch unerwartet getroffen.
    »Wir frühstücken im Freien«, sagte Bruno, »und dann brechen wir auf zum Dorf.« Dabei lächelte er.
    Und plötzlich verstand ich ihn, blinzelte ihm mit einem Auge zu.
    »Mit ihr?« fragte Lisa, und sie deutete auf den Schirm, wo zu sehen war, daß Mary wahrmachte, was sie uns versprochen hatte. Sie lag völlig entspannt auf dem Teppich und schlief.
    Bruno antwortete nicht. Er schaltete die Außensicherungen des Schiffs ein und ging dann; Friedrun folgte ihm, drehte sich an der Tür jedoch noch einmal um und hob die Schultern.
    »Kannst du das verstehen?« fragte Lisa mich oder Carlos, wir saßen nebeneinander.
    »Na, es muß doch endlich was werden«, antwortete Carlos vieldeutig. »Solches Faulsein wie heute können wir uns nicht länger leisten.« »Aber…«
    Ich faßte nach Lisas Hand. »Bruno ist der Kommandant«, sagte ich
weise.
»Ihr könnt mich mal…«, antwortete Lisa und ging.

    Es gab ein reichliches

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