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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Frühstück, ein kerniges dazu. Wieder blinzelten wir uns zu, Bruno und ich. Carlos reagierte auf einen ähnlichen Versuch meinerseits nicht, aber ich glaube, auch er wußte, was gespielt wurde. Mary hatte ein paar feste Badeschuhe aus Kunststoff an und ein Kissen unter dem Arm, auf das sie sich zum Frühstück setzte. Sie sagte »gut« und langte tüchtig zu, wir übrigens auch.
    »Ist heute Feiertag?« fragte Friedrun, als Lisa uns ein Stück Ungarische Salami heraussuchte.
    »Eine Empfehlung vom Kommandanten – wegen der Reise«, erläuterte Lisa.
    Mary aß mit beiden Händen, Kaffee lehnte sie wiederum ab, aber Saft trank sie, und den Äpfeln sprach sie zu.
    Ich beobachtete sie die ganze Zeit, Bruno übrigens auch. Hatten wir
uns geirrt?
Nein!
    Mary war offensichtlich gesättigt. Sie saß ungewöhnlich ernst da, blickte von einem zum anderen, und – so jedenfalls sah ich das – sie schien nervös.
    Dann erhob sie sich unvermittelt, ergriff das Kissen, stand einen Augenblick unschlüssig, ging dann auf Lisa zu, beugte sich zu der Überraschten hinab und rieb eine Sekunde lang ihre Wange an der Lisas. Sie richtete sich auf, blickte bedeutsam in unsere Runde, drehte sich um und schritt gemessen, ohne sich noch einmal umzuschauen, der Stelle des Waldrandes zu, wo wir sie aufgefunden hatten. »Mary!« rief Inge erstaunt. Ein verwunderter, leiser Ruf.
    Wir sahen ohne ein Wort dem Mädchen hinterher, die nackt, mit klobigen roten Badeschuhen an den Füßen und einem Kissen unter dem Arm, gerade drüben im Wald verschwand.
    »Aufbruch!« forderte Bruno. Und als ein Disput ausbrechen wollte, noch einmal mit Nachdruck: »Aufbruch!«
    Der Disput blieb im Gang, aber es wurde dabei abgeräumt, das Schiff
gesichert.
Ich hörte Lisa: »Woher hat er das gewußt!«
    »Na – wir haben doch selbst ihre Reisevorbereitungen beobachtet«, gestand Friedrun ein.
    »Sam, komm bitte mal!« Bruno stieg in die Kanzel des Drehflüglers. »Du sitzt mit vorn«, sagte er. »Hier ist unser Kurs.« Er legte mir eine Netzkarte vor, die aus einem Luftbild entstanden war. Sie kennzeichnete unseren Standort, das »Dorf« und den von uns erkundeten und den vermeintlichen weiteren Verlauf des entdeckten Weges. »Hier ist eine Peilanzeige. Die Werte setzt du alle zehn Minuten in die Karte ein, klar? Hier den Winkel, die Entfernung greifst du hier ab und überträgst sie mit dem Zirkel. Entschuldige, daß es so primitiv ist. Zum Programmieren hatte ich keine Zeit. Wird schon gehen, ja?« Er lächelte verschmitzt.
    Ich muß ihn wohl ziemlich entgeistert angesehen haben, zu einer Frage war ich noch gar nicht gekommen. »Sie hat einen Sender im Schuh«, erklärte Bruno trocken.
    »Mensch, Bruno«, sagte ich und schüttelte anerkennend den Kopf. »Du bist mir vielleicht einer!«

    Wir flogen sehr langsam, um eine Spezialkartierung zu versuchen und möglichst den Weg nicht zu verlieren. Er zeichnete sich tatsächlich, freilich mit viel Phantasie, als eine angedeutete Rinne im Hochbaumbestand ab.
    Aber viel mehr als diese Rinne interessierte uns Marys Weg; denn natürlich hatten wir Brunos List allen sofort mitgeteilt.
    Mary eilte mit verhältnismäßig hoher Geschwindigkeit spitzwinklig von unserer Route weg, also nicht auf das »Dorf« zu! Weiß der Kuckuck, wie sie sich im Dickicht orientieren mochte – oder es gab andere Pfade und Wege. Nur, wenn man nicht unmittelbar darauf stieß, konnten sie einen Meter neben einem verlaufen, ohne daß man sie wahrnahm.
    Zweimal machten wir Stichproben, indem sich Carlos abseilte, und wir trafen den Weg. Wir konnten annehmen, er führte direkt zum »Dorf« – auf einer Strecke von etwa dreihundert Kilometern!
    Dann bot sich uns ein neues Rätsel, das sich jedoch löste, während Carlos zum zweitenmal ausstieg. Die Rinne, die wir von oben verfolgten, weitete sich zu einem Oval niedriger Pflanzen, und Carlos schilderte uns von unten, was er sah: »Das war eine große Lichtung. Augenblick.« Er stapfte keuchend umher. »Felder am Rande… Halt, was ist das? Das sieht aus – wie ein Geviert aus Holzmulm.« Wieder Brechen durch Gebüsch »… noch eines. Das war eine Siedlung mit viereckigen Behausungen, kein Zweifel…«
    »Wie alt sind die nachgewachsenen Bäume?« fragte Bruno. »Sekunde.«
    Wir hörten Axtschläge. »So alt wie die am Schiff auch. Aber die Siedlung muß viel früher verfallen sein. Wahrscheinlich haben die Fremden aus irgendeinem Anlaß den Weg noch einmal abgeholzt und benutzt…« »Gut – komm

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