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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Naturvölkern zählten, galten Engerlinge, Heuschrecken und ähnliches Getier als Delikatesse. Und ich weiß heute noch nicht, wo man zum Beispiel eine Auster einordnen könnte…
    Nur stellte sich nicht die Frage, was sie aßen, sondern was sie, wer sie waren. Eine Urbevölkerung mit derart verblüffendem menschlichem Habitus? So etwas kommt nur im Märchen vor…
    Als die drei aufgegessen hatten, standen sie urplötzlich auf, stapften durch Wasser und den Morast aus Verkohltem, Sand und Blättern zum Wald, verschwanden darin. Sie waren also keineswegs gekommen, um etwa ihre am Morgen zu uns gebrachte Gefährtin wieder abzuholen. Der Wald hatte ihnen offenbar nicht genügend Schutz gegen das Unwetter geboten.
    Kein Zweifel: Bekleidung, Bewaffnung, Nahrungsaufnahme wiesen darauf hin, es sind Primitivlinge! Vor einem Drehflügler aber, vor Leuten mit Schutzhelmen hatten sie wenig Respekt. Gewiß, sie ließen anfangs eine gewisse Vorsicht walten, das schien mir jedoch äußerst natürlich zu sein.
    Was wurde da geschrieben von Zivilisationen auf niederer Stufe, bei denen Kosmonauten einfielen wie unsereiner und als eine Art Götter Kultur und Kult pfropften, gravierende Spuren hinterließen.
    Diese hier sahen im glänzenden Götterfahrzeug nichts weiter als einen Regenschutz. Das empfand ich beinahe als enttäuschend… Aber über meine absurden Gedankengänge mußte ich selber lächeln.
    »Sam«, fragte Inge, zu meinem Bildschirm gewandt; denn selbstverständlich hatte man mich abermals isoliert, »was ist komisch?«
    »Ich mußte darüber nachdenken, weshalb sie wohl keinen Respekt vor uns haben. Sie benutzen uns und – verschwinden.« »Und das ist zum Lachen?« fragte Lisa.
    »Nicht direkt. Nur – woanders käme unsereiner als Gott daher.«
    »Dorthin, wo noch keiner ist!« Friedruns Bemerkung traf. »Du meinst…?« fragte ich.
    Sie unterbrach. »Ich meine, sie haben ihre Götter, sie leben mit ihnen, wissen, wie sie aussehen, was sie haben… In ihren Augen sind wir vielleicht göttlicher Besuch oder Nachschub, nichts so Außergewöhnliches aber…«
    »Na, das nenne ich eine Theorie«, rief Bruno. »Allerdings – sie können uns auch lange genug beobachtet und dabei ihre Überraschung, ihr Staunen abreagiert haben.«
    Mich interessierte der Disput natürlich sehr. »Und wofür hältst du sie selber?«
    »Tja«, Friedrun zögerte, wurde aber einer Antwort enthoben. »Sie kommt zu sich!« rief Lisa.
    Wir hatten das verletzte Mädchen ständig im Videor. Es war ausgesprochen hübsch, hatte eine Stoppelfrisur, das heißt, die ehemals gänzlich abgeschnittenen Haare waren jetzt etwas nachgewachsen. Selbst die Wundpünktchen im Gesicht störten nicht. Das »schlafende Mädchen« hieß bei uns Dornröschen.
    »Ich schleuse mich zu ihr ein«, bestimmte Lisa, und fort war sie.
    Sekunden später, Lisa mußte sich schon beinahe in der Schleuse befinden, rief Bruno sie zurück. »Das geht nicht«, sagte er und erläuterte: »Du müßtest ohne Maske, verstehst du? Dann ist das Schiff für dich tabu.« »Du liebe Zeit«, maulte Friedrun. »Ewig können wir den Unfug ohnehin nicht mehr betreiben, wo doch Sam schon…«
    Ungewöhnlich scharf reagierte Bruno: »Das Schiff bleibt sauber, solan
ge ich darüber zu befinden habe!«
»Schon gut, schon gut«, beschwichtigte Friedrun.
Mich ließ der kleine Disput aufhorchen…
    »Und was wird dann?« fragte Lisa, noch immer auf dem Sprung. »Das werden wir jetzt besprechen«, antwortete Bruno.
    »Es wird sich bald jemand um sie kümmern müssen«, bemerkte Inge und wies auf den Schirm.
    Die Fremde begann mit großen Augen ihre Umgebung zu mustern.

    Eine salomonische Entscheidung hatten wir getroffen: Wir blieben alle! Denn Lisa hatte behauptet, binnen dreier Tage brächte sie die Besucherin wieder auf die Beine.
    Die ursprüngliche Befürchtung Brunos, Dornröschen würde Angst bekommen, näherten wir uns ihm mit Atemfilter, bestätigte sich nicht. Überhaupt, die Fremde gab uns gleich in den ersten Minuten Rätsel auf. Sie fürchtete sich, wie gesagt, weder vor unserer Vermummung noch vor sonst irgend etwas. War sie nun ein Primitivling? Die Kleidung oder besser Nichtkleidung – auch der anderen drei – bildete für mich kein ausreichendes Kriterium, auch nicht, daß sie rohe Raupen aßen. Echte Schlüsse konnte man ziehen, so meine Schulweisheit, erstens, wenn man mit den Fremden kommunizierte, und zweitens, ihr Umfeld kennenlernte. Das eine konnten wir hier probieren, das

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