Der Untergang der Telestadt
Schneiden dichten Wolken des gelblichschwarzen RauchDampf-Gemisches, die uns wie ein schmutziger Wattebausch beinahe eine Stunde lang einhüllten, ob das Zischen, Prasseln und Knallen über die Außenmikrofone oder die in den Schwaden wie Drachenzungen schleckenden Flammen die gedrückte Stimmung verursachten, künftige Katastrophen erahnen ließen?
Erst später, als es dämmerte und draußen ein leichter Regen niederging, Feuer und Qualm versiegten und der Schiffsrat, offenbar im Willen, die Stimmung gewaltsam umzukippen, mit optimistischen Informationen auf den Plan trat, entstand geschäftige Neugier.
Wir umlagerten die Sichtschirme, machten uns gegenseitig auf die langsam sich aus dem Dunst herausschälenden Strukturen des uns umgebenden, allerdings durch unseren Einbruch stärkstens geschädigten Waldes aufmerksam, hörten gespannt auf die Angaben der Außenmeßgeräte. Ein Jubel kam auf, als der Sprecher des Rats überschwenglich verkündete, daß auch die Feinmeßwerte bestätigten, die Atmosphäre des Planeten sei für Menschen atembar!
Als die Dunkelheit die von uns verursachte Zerstörung kaschierte, der noch immer niedergehende Regen die Glut gelöscht hatte – nur unter dem Schiff hervor dampfte es noch –, verlor sich das Interesse am Schauen, zumal auf eine Ausleuchtung der Landezone verzichtet wurde. Die brennende Frage, ob neben der offenbar üppigen Flora auch eine reichhaltige Fauna anzutreffen sein werde, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Nur bugseitig backbord wollte eine Gruppe von uns einen riesigen Vogel gesichtet haben, der einen Augenblick über den Wipfeln voraus sichtbar gewesen sei.
Am Abend des Tages Null hielt Commodore David Kanadse eine feierliche Rede. Die Delegierten der Bereiche versammelten sich im großen Saal, der Akt wurde in alle Sektionen videofonisch übertragen.
Ich erinnere mich, daß es eine schöne und optimistische Rede war, die David Kanadse hielt. Wir seien die Auserwählten, sagte er, die den ersten Brückenkopf der Menschheit schlügen. Wir seien jene, die das Aufblühen der vereinten Menschheit nach der Epoche der gegenseitigen Bedrohung in den Kosmos trügen, mit dem Auftrag, neue Heimstätten für die Menschen zu erschließen, dem Genius Mensch kosmische Dimensionen zu verleihen. Jetzt, da wir Friedensboten seien, dürften wir solche Schritte wagen als Suchende auch, die den Platz der Menschheit im Ring der Weltvernunft eines Tages einnehmen würden.
Nach dem, was wir über den Planeten wüßten, erwarteten uns Strapazen und Kampf, das Zurückstellen des Persönlichen, die Subordination des Ich unter das Wir.
Und dann gab er eine richtungweisende Festlegung des Rates bekannt: Das Schiff sei aufzufassen als Depot, nur anfangs als Produktionsstätte, später, nach der Errichtung der Funkbrücke zur Erde, als Sender. Als Heimstatt aber werde es abgelöst von dem, was hier auf Neuerde, ja, so solle der Planet von nun an heißen, ab jetzt mit eigenen Händen, mit Schweiß und Mühe geschaffen würde. So verstehe man auch heute noch Fortschrittsdrang und Pioniergeist. Schon bei der Annäherung, und das hätte den Landeplatz mitbestimmt, sei das Areal ausgekundschaftet worden, auf dem mit hoher Wahrscheinlichkeit die erste Siedlung entstehen werde. Alle Aktivitäten seien ab morgen darauf gerichtet.
Mit dieser schwerwiegenden Kunde schloß der Commodore symbolisch das Logbuch der Telesalt. Damit, so sagte er, würde gleichsam die Abnabelung vollzogen. Der Nestflüchter Mensch – so versuchte Kanadse einen Scherz – führe fortan ein eigenständiges Leben, das zum Ruhme der Menschheit gereichen werde, aber, und nur so könne es sein, unter den Bedingungen von Neuerde. Die spätere Funkverbindung zur Erde, ohnehin bar jeder Dialogmöglichkeit, sei zu werten, als schreibe man sich zu Geburtstagen einen Kartengruß. Die Brücke diene im wesentlichen der Positionsbeschreibung und der Kursbestimmung für die Nachkommenden; denn noch lange wisse man auf der Erde nicht, wo wir Neuerde entdeckt haben. Ja, und diesen Nachkommenden sei ein würdiger Empfang zu bereiten. Auf von uns vorgetriebenen Straßen würden sie zu unseren neuen Städten und Feldern gelangen und in den Häusern wohnen, die wir oder unsere Nachfahren gebaut haben. »Sie werden ihre Heimat hier finden – wie wir!«
Wie ernst Commodore David Kanadse es meinte, zeigte der Tag eins. Wer geglaubt hatte, es werde nichts so heiß gegessen, wie es gekocht ist, der irrte. Nach den
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