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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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hatte…
    Tags darauf beförderten wir das Möbel mit Brunos tatkräftiger Unterstützung in die Müllgrube.
    Wir umkreisten, kartierten, analysierten den Planeten Flora, bis unser Treibstoff für die beiden Hubflügler zur Neige ging. Und es zeigte sich alsbald, ohne die Flugapparate waren wir im Prinzip auf Flora hilflos. Zwar unternahmen wir noch einige ausgedehnte Fahrten mit dem Rover über die Steppen und auch an Uferzonen entlang, wo es anging, aber in den Vegetationsgebieten mußte alle Erkundung eingestellt werden. Solchen Aufwand wie seinerzeit, als wir nach Ziti zogen oder zur TELESALT, konnten wir uns einfach nicht mehr leisten.
    Natürlich erlebten wir noch etliche gefährliche Situationen. In einem Gebirgstal überfiel uns eine Herde affenartiger Geschöpfe, die uns bedrohlich mit Steinen bombardierten. Carlos fiel vierzehn Tage für den Außendienst aus, weil er sich beim Freischlagen eines Landeplatzes im Unterholz verheddert hatte und ihm ein herabstürzender Ast das Wadenbein brach.
    So kam es, daß wir zwei Wochen vor dem eigentlichen Startzeitraum in eine Lage geraten waren, die jeden weiteren Aufenthalt auf Flora unsinnig machte. Flora, der vor Leben strotzende Planet, hatte uns das Letzte abgefordert. Das Wuchernde, Pulsierende war auf die Dauer für uns feindlich, abweisend, tödlich vielleicht. Und in mir stieg eine unbestimmte Ahnung auf, die meine Begierde auf die Chronik weiter anstachelte. Ich verrichtete schweißgebadet, regendurchweicht, müde und erschöpft, aber verbissen meine Arbeit, in der Absicht, sie schnell hinter mich zu bringen, um mich eher dem anderen zuwenden zu können…
    Wir waren Schatten unserer selbst, schufteten, aßen und schliefen, stumpften gegeneinander ab, lebten nebeneinanderher wie Computer – heute weiß ich, stets klug geleitet von Bruno; denn nicht ein einziges Mal gab es in dieser Periode des äußersten Angespanntseins einen offenen Streit. Freilich murrte und brummte jeder, und alle waren wir gereizt – doch von der Notwendigkeit der Aufgabe und deren zügigen Lösung überzeugt. In dieser Phase fiel nicht mehr ins Gewicht, daß Lisa weiterhin übelnahm und grollte, wenn das auch kaum einen Einfluß auf ihre Arbeit hatte. Selbst ich, dem die gesamten, mit schwerer körperlicher Anstrengung verbundenen geologischen Erkundungen zufielen, litt nunmehr nicht besonders unter Lisas Verhalten.
    Als wir starteten, dachte wohl niemand mit Befriedigung an die gefüll
    ten Exponatenregale des Schiffes, an die Speicher der Analysecomputer voller Daten über die Struktur des Organischen und Anorganischen auf Flora. Ich glaube, sogar Bruno empfand darüber nicht die in solchen Fällen normale Befriedigung.
    Ich zum Beispiel sah Mary vor mir, wie sie mit uns im Schatten des Hubflüglers ungeniert frühstückte, hörte Muhm An im finsteren Raum schiff tapsen, bedauerte die vielleicht zu Unrecht verbannten Männer, die das Brennholz vor den Hütten abwarfen…
    Ich kam mir vor wie der Wohlhabende, Satte, immerhin noch von seinem Gewissen Geplagte, der sich von einem ihm unbehaglichen Anblick abwendet, der aber die Frage offenhält, wirklich alles und das Richtige in diesem Fall getan zu haben…

    2. Teil

    Als Anthropologen fiel mir zu, die Auswertung der Chronik zu leiten. Jedenfalls tat ich so, und keiner erhob Einspruch. Und ich begann, sobald sich das Schiff auf Kurs befand und der Dienst an Bord es zuließ. Mir schien Eile geboten, denn Bruno – und da machte er kein Hehl daraus – würde trotz gewisser Zusagen vorschriftsgemäß auf Anabiose drängen, das war mir klar.
    Vorbereitungen galt es nicht viele zu treffen. Ich hatte die Niederschrift zu lesen, sie reproduzierbar auf Band und Speicher zu nehmen, was einige Sorgfalt beim Sprechen bedingte. Ich entschloß mich deshalb, den Text zunächst gleichsam ins unreine zu lesen, um mir nachträgliche Korrekturen zu ersparen.
    Mit dieser Arbeit verband sich für mich auch der Vorwand, zwischen mir und Lisa so etwas wie eine räumliche Trennung herbeizuführen. Das scheinbar gleichgültige Nebeneinander wurde mir auf die Dauer unerträglich. Eine Wende in Lisas Verhalten zeichnete sich nicht ab. Wir teilten also unseren Wohntrakt so auf, daß für mich ein bequemer Arbeitsplatz entstand mit allen Verbindungen zum Computer. So konnte ich Tag und Nacht arbeiten, ohne Lisa im geringsten zu stören – aber auch ohne ständig durch ihre zur Schau gestellte Unnahbarkeit frustriert zu werden. So gelang es mir, mit der

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