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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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verschleierte.

    Äußerst vorsichtig pirschte ich mich vorwärts.
    Ich befand mich noch im Wald, näherte mich aber dessen Saum und dem ersten Feld. Geduckt sprang ich von Stamm zu Stamm, darauf achtend, auf keinen abgestorbenen Ast zu treten, der hier zwar nicht dürr, sondern durchfeuchtet wie alles war, aber beim Zerbrechen dennoch ein Knacken von sich geben würde. Dann hörte ich leises Kinderweinen.
    Erschrocken blieb ich erneut stehen. Wenn ich mit allem gerechnet hatte, mit kleinen Kindern nicht.
    Etwas weniger vorsichtig ging ich schneller auf dieses Weinen zu.
    Aus einem Busch heraus sah ich sie endlich. In einer der auf den Feldern gewöhnlich aufgestellten primitiven Unterstellhütten mit fehlender Vorderwand saßen drei Menschen: ein verwildert aussehender Mann, der vor sich hin stierte und mit einem langen Stock wie abwesend auf einem kleinen Rost, der sich über einem Feldkocher befand, brutzelnde Fleischstücke wendete.
    Am Pfosten saß eine Frau, deren Gesicht ich nicht sehen konnte, weil lange, ungepflegte Haare es umflossen und sie zudem den Kopf zum greinenden Kind geneigt hielt, das in ihrem Arm lag und das sie leicht wiegte.
    Weiterhin gewahrte ich einen großen Tragesack, zwei Bündel und einiges Gerät, unter dem ich auch einen großen Handlaser ausmachte! Ich kauerte und beobachtete so lange, bis mir beide Beine einzuschlafen drohten.
    Der Mann hatte unterdessen die Flamme zurückgedreht und die Frau offenbar aufgefordert, zu ihm und zum Essen zu kommen. Worte konnte ich allerdings nicht verstehen, dafür befand ich mich noch zu weit ab von der Gruppe.
    Die Frau reagierte nicht, bis ein herrisches »Komm endlich!« sie zum Aufsehen und trägen Hochrappeln zwang.
    Als ich ihr Gesicht sah, ein Antlitz, das mir bekannt vorkam, glaubte ich, alles zu wissen: ihr Blick unstet, ihre Bewegungen fahrig, das Kind hielt sie, wie Kinder Puppen halten, fest, aber nicht sorgfältig. Es schien mir sicher: Diese Frau war nicht bei vollem Verstand.
    Und der Mann? Ich konzentrierte meine Beobachtung auf ihn.
    Er legte das Baby auf die Lagerstatt, reichte der Frau, liebevoll, wie ich meinte, ein Stück Gegrilltes, das sie manierlich abnahm und ohne Hast zu verzehren begann. Er tat es ihr gleich, sprach dabei leise und beruhigend monoton auf sie ein.
    Nach der Mahlzeit wischten sie die Hände an Tücher, und dann versorgten sie das Kind. Der Mann holte aus einem der Tragesäcke eine Konserve, erwärmte sie auf dem Rost um ein weniges, nahm der Frau behutsam das Kind ab und begann es zu füttern.
    Mir schnürte es auf einmal die Kehle zu, so rührte mich dieser Anblick. Wenig später aber packte mich Empörung. Welche Verantwortungslosigkeit! Das seltsame Paar machte ganz den Eindruck, als triebe es sich schon tage-, wenn nicht wochenlang in der Wildnis umher. Aber noch hatten sie Nahrung, noch setzten sie das Wurm nur den immensen Gefahren der Wildnis aus, der Unberechenbarkeit einer offensichtlich Irren. Was aber, wenn die Vorräte zu Ende sein werden, wenn der Tragesack keine Konserven mehr hergeben würde? Ich schätzte das Kind so jung ein, daß es wohl kaum allein von festen, nicht kleinkindgemäßen Speisen würde existieren können.
    Was ich als nächstes sah, bestätigte meine Ansicht, die zugegebenermaßen so stichhaltig nicht war, denn aus verschiedenen Gründen sind Gus und ich kinderlos geblieben. Der Mann übergab das Kind wieder der Frau, legte es behutsam in ihren Arm und begann, ihr die grobe Feldbluse zu öffnen.
    Erst als das Baby suchend den Kopf hin und her bewegte, bequemte sich die Frau, als meldete sich ein Urinstinkt, ihm die Brust mundgerecht zu reichen. Obwohl ich es mir nur einbildete – die Entfernung war nach wie vor zu groß –, hörte ich förmlich das appetitvolle Schmatzen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte den beiden Unverantwortlichen das Kind entrissen, es in meine schützende Behausung geschafft und mich fortan um es gekümmert, so hatte mich der Zorn gepackt. Aber in mir siegte die Vernunft. Ich war noch in der Lage, mir vorzustellen, was geschehen könnte, handelte ich so. Ich würde die Eltern nicht loswerden und, vergegenwärtigte ich mir die behutsame Fürsorge des Mannes, den beiden sicher Leid zufügen. Und ich, würde ich mit solchen Pflichten, ungeübt wie ich war, fertig werden?
    In mir stritten Empörung, Ratlosigkeit und Mitgefühl. Was sollte, was könnte ich tun?
    Drüben hatte man das Kind zur Ruhe gelegt. Die Frau saß mit noch entblößter

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