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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Ethik, seine wirkliche Metaphysik, die kein Stadtgelehrter je der Entdeckung für würdig gehalten hat, liegen außerhalb aller Religions- und Geistesgeschichte. Sie haben überhaupt keine Geschichte.
    Die Stadt ist Geist. Die Großstadt ist der »freie Geist«. Das Bürgertum, der Stand des Geistes, beginnt mit einer Auflehnung gegen die – »feudalen« – Mächte des Blutes und der Tradition sich seines Sonderdaseins bewußt zu werden. Er stürzt Throne und beschränkt alte Rechte im Namen der Vernunft und vor allem im Namen des »Volkes«, womit von nun an ausschließlich das Volk der Städte gemeint ist. Demokratie ist die politische Form, in welcher von dem Bauern die Weltanschauung des Stadtmenschen gefordert wird. Der städtische Geist reformiert die große Religion der Frühzeit und setzt neben die alte ständische eine bürgerliche Religion, die
freie Wissenschaft
. Die Stadt übernimmt die Leitung der Wirtschaftsgeschichte, indem sie an die Stelle der Urwerte des Landes, wie sie vom bäuerlichen Leben und Denken nie zu trennen sind, den von den Gütern
abgelösten Begriff des Geldes
setzt. Das uralte ländliche Wort für den Güterverkehr ist
Tausch
. Selbst wo es sich um die Vertauschung eines Dinges gegen Edelmetall handelt, liegt dem Vorgang kein »Gelddenken« zugrunde, welches vom Dinge den Wert begrifflich trennt und in eine fiktive oder metallene Größe bindet, deren Bestimmung es von da an ist, das »andere«, »die Ware« zu messen. Karawanenzüge und Wikingerfahrten der Frühzeit erfolgen zwischen ländlichen Siedlungen und bedeuten Tausch und Beute. Zur Spätzeit erfolgen sie zwischen Städten und bedeuten »Geld«. Das unterscheidet die Normannen vor und die Hanseaten und Venezianer nach den Kreuzzügen, die antiken Seefahrer in der mykenischen Zeit und die zur Zeit der großen Kolonisationen. Die Stadt bedeutet nicht nur Geist, sondern auch Geld. [Vgl. Bd. II, Kap. V, I.]
    Eine Epoche tritt ein, wenn die Stadt sich so gewaltig entwickelt hat, daß sie sich nicht mehr gegen das Land behaupten muß, gegen Bauerntum und Ritterschaft, sondern daß das Land mit seinen Urständen eine hoffnungslose Verteidigung gegen die Alleinherrschaft der Stadt führt, geistig gegen den Rationalismus, politisch gegen die Demokratie, wirtschaftlich gegen das Geld. In dieser Zeit ist die Zahl der Städte, welche als historisch führende in Betracht kommen, schon sehr klein geworden. Es entsteht der tiefe, vor allem seelische Unterschied von Großstadt und Kleinstadt, welch letztere unter dem sehr bezeichnenden Namen Landschaft ein Teil des aktiv nicht mehr mitzählenden Landes wird. Der Gegensatz zwischen dem Landmenschen und Stadtmenschen ist in diesen kleinen Städten nicht geringer geworden, aber er verschwindet vor dem neuen Abstand, der sich zwischen sie und die Großstadt legt. Bäuerlich-kleinstädtische Schlauheit und großstädtische Intelligenz sind zwei Formen verstehenden Wachseins, zwischen denen eine Verständigung kaum möglich ist. Es ist klar, daß es sich auch hier nicht um die Einwohnerzahl, sondern um den Geist handelt. Es ist auch deutlich, daß in allen großen Städten sich Winkel erhalten, in denen Fragmente einer fast ländlich gebliebenen Menschheit in ihren Gassen wie auf dem Lande leben, wo die Bewohner über die Straße weg in fast dörflichen Beziehungen zueinander stehen. Es führt eine Pyramide von immer städtischer geprägten Wesen von diesen fast bäuerlichen Menschen über immer engere Schichten bis zu der geringen Zahl echter Großstadtmenschen, die überall zu Hause sind, wo ihre seelischen Voraussetzungen erfüllt werden.
    Damit hat auch der Begriff Geld seine volle Abstraktheit erlangt. Er
dient
nicht mehr dem Verstehen des wirtschaftlichen Verkehrs; er unterwirft den Warenumlauf seiner
eigenen
Entwicklung. Er wertet die Dinge nicht mehr untereinander, sondern
in bezug auf sich
. Seine Beziehung zum Boden und dem damit verwachsenen Menschen ist so vollständig verschwunden, daß sie für das wirtschaftliche Denken der führenden Städte – der »Geldplätze« – nicht mehr in Betracht kommt. Das Geld ist jetzt eine Macht, und zwar eine rein geistige, durch das Metall nur repräsentierte Macht im Wachsein der Oberschicht der wirtschaftlich tätigen Bevölkerung geworden, welche die mit ihm beschäftigten Menschen ebenso von sich abhängig macht, wie früher die Erde den Bauern. Es gibt ein »Denken in Geld«, wie es ein mathematisches und juristisches Denken gibt.
    Aber

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