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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Religiosität. Zur Zeit von Sulla gab es einen durch und durch religiösen Stoizismus höherer Kreise und einen synkretistischen Volksglauben, der phrygische, syrische, ägyptische Kulte und zahllose antike, damals fast vergessene Mysterien verband, und das entspricht genau der Entwicklung der aufgeklärten Weisheit Buddhas zum Hinayana der Gelehrten und Mahayana der Menge, und dem Verhältnis des lehrhaften Konfuzianismus zum Taoismus, der sehr bald das Gefäß des chinesischen Synkretismus geworden ist.
    Gleichzeitig mit dem »Positivisten« Meng-tse (372–289) beginnt plötzlich eine mächtige Bewegung von Alchymie, Astrologie und Okkultismus. Es ist längst eine berühmte Streitfrage, ob hier etwas Neues erscheint oder der frühchinesische Mythensinn wieder durchbricht, aber die Antwort kann durch einen Blick auf den Hellenismus gegeben werden. Dieser Synkretismus tritt »gleichzeitig« in der Antike, in Indien, in China, im volkstümlichen Islam auf. Er setzt sich überall an rationalistische Lehren an – die Stoa, Laotse, Buddha – und durchsetzt sie mit bäuerlichen, frühzeitlichen und exotischen Motiven jeder denkbaren Art. Der antike Synkretismus, der von dem der späteren magischen Pseudomorphose wohl zu unterscheiden ist, [Vgl. Bd. II, S. 801.] holte sich seit 200 v. Chr. Motive aus der Orphik, aus Ägypten, aus Syrien; der chinesische hat 67 n. Chr. den indischen Buddhismus in der volkstümlichen Form des Mahayana eingeführt, wobei die heiligen Schriften als Zaubermittel und die Buddhafiguren als Fetische für kräftiger galten, weil sie fremd waren. Die ursprüngliche Lehre des Laotse verschwindet sehr rasch. Zu Beginn der Hanzeit (um 200 v. Chr.) werden die Scharen der sen aus moralischen Vorstellungen zu gütigen Wesen. Die Wind-, Wolken-, Donner-, Regengötter kommen wieder. Massenhafte Kulte bürgern sich ein, durch welche die bösen Geister mit Hilfe der Götter ausgetrieben werden. Damals entstand, und zwar sicherlich aus einem Grundbegriff der vorkonfuzianischen Philosophie, der Mythos von Panku, dem Urprinzip, von dem die Reihe der mythischen Kaiser abstammt. Eine ähnliche Entwicklung nahm bekanntlich der Logosbegriff. [Das Lü-shi Tschun-tsiu des Lüpu-wei (237 v. Chr., chinesische Augustuszeit) ist das erste Denkmal des Synkretismus, dessen Niederschlag das während der Hanzeit entstandene Ritualwerk Li-ki ist (B. Schindler, Das Priestertum im alten China I, S. 93).]
    Die von Buddha gelehrte Theorie und Praxis der Lebensführung war aus Weltmüdigkeit und intellektuellem Ekel hervorgegangen und stand zu religiösen Fragen in gar keiner Beziehung, aber schon zu Beginn der indischen »Kaiserzeit« um 250 v. Chr. war er selbst ein sitzendes Götterbild geworden, und an Stelle der nur dem Gelehrten verständlichen Nirwanatheorie traten mehr und mehr handfeste Lehren von Himmel, Hölle und Erlösung, die zum Teil vielleicht ebenfalls der Fremde, nämlich der persischen Apokalyptik entlehnt sind. Schon zu Asokas Zeit gab es achtzehn buddhistische Sekten. Der Erlösungsglaube des Mahayana hat in dem Dichter und Gelehrten Asvaghosa (um 50 v. Chr.) den ersten großen Verkünder und in Nagarjuna (um 150 n. Chr.) den eigentlichen Vollender gefunden. Aber daneben wanderte die ganze Masse urindischer Mythen wieder zurück. Die Vischnu- und die Shivareligion waren um 300 v. Chr. schon deutlich ausgebildet, und zwar in synkretistischer Form, so daß die Krishna- und die Ramalegende nun auf Vischnu übertragen werden. Dasselbe Schauspiel bietet sich im ägyptischen Neuen Reiche, wo der Amon von Theben den Mittelpunkt eines mächtigen Synkretismus bildet, und im Arabertum der Abbassidenzeit, wo die Volksreligion mit ihren Vorstellungen von Vorhölle, Hölle, Weltgericht, der himmlischen Kaaba, dem Logos-Mohammed, den Feen, Heiligen und Gespenstern den ursprünglichen Islam ganz in den Hintergrund drängt. [M. Horten, Die religiöse Gedankenwelt des Volkes im heutigen Islam (1917).]
    Es gibt in diesen Zeiten noch einige hohe Geister wie den Erzieher Neros, Seneca, und sein Ebenbild Psellos, [1018–78, vgl. Dieterich, Byzant. Charakterköpfe (1909), S. 63.] den Philosophen, Prinzenerzieher und Politiker im cäsarischen Byzanz, wie den Stoiker Marc Aurel und den Buddhisten Asoka, die selbst Cäsaren gewesen sind, [Sie haben sich beide erst im Alter und nach langen und schweren Kriegen in eine milde, müde Frömmigkeit versenkt, sind aber bestimmteren Religionen ferngeblieben. Dogmatisch betrachtet war Asoka

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