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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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nicht politischen und noch viel weniger abstrakten Ursprungs, sondern sie bringt die Tatsache zum Ausdruck, daß innerhalb der Stadtmauern das pflanzenhafte Verbundensein mit dem Lande ein Ende hat und die das ganze Landleben durchsetzenden Bindungen zerrissen sind. Ihr Wesen hat deshalb immer etwas Verneinendes. Sie löst, erlöst, verteidigt; frei ist man immer
von
etwas. Die Stadt ist der Ausdruck
dieser
Freiheit; städtischer Geist ist freigewordnes Verstehen, und alles was in Spätzeiten unter dem Namen Freiheit an geistigen, sozialen und nationalen Bewegungen hervorbricht, leitet seinen Ursprung zu dieser einen
Urtatsache des Freiseins vom Lande
zurück.
    Aber die Stadt ist älter als der »Bürger«. Sie zieht zunächst die Berufsklassen an, die außerhalb der symbolischen Ständeordnung stehen und hier die Form von Zünften erhalten, dann aber die Urstände selbst, die wie der Kleinadel ihre Burgen und wie die Franziskaner ihre Klöster in das Weichbild verlegen, ohne daß damit innerlich viel geändert wäre. Nicht nur das päpstliche Rom, alle italienischen Städte dieser Zeit sind mit den Festungstürmen der Geschlechter erfüllt, von denen aus die Fehden in den Straßen ausgefochten werden. Auf einem bekannten Gemälde von Siena aus dem 14. Jahrhundert ragen sie wie Fabrikschlote rings um den Markt empor, und der florentinische Palast der Renaissance ist nicht nur durch das prachtvolle Leben in ihm ein Nachfolger der provenzalischen Edelhöfe, sondern mit seiner Rustikafassade auch ein Abkomme der gotischen Burg, welche die deutsche und französische Ritterschaft noch für lange Zeit auf den Bergen baute. Erst langsam sondert sich ein neues Leben ab. 1250–1450 haben sich im ganzen Abendland die eingewanderten Geschlechter den Zünften gegenüber zum Patriziat zusammengeschlossen und eben damit auch geistig vom Landadel gelöst; genau dasselbe war im frühen China, Ägypten und im byzantinischen Reiche der Fall, und erst von hier aus sind die ältesten antiken Städtebünde wie der etruskische, vielleicht noch der latinische, und die sakrale Verbindung der kolonialen Tochterstädte mit der Mutterstadt zu verstehen: nicht die Polis als solche, sondern das Patriziat der Phylen und Phratrien in ihnen ist Träger der Ereignisse.
Die ursprüngliche Polis ist mit dem Adel identisch
, wie es in Rom bis 471 und in Sparta und den etruskischen Städten dauernd der Fall war; von ihm geht der Synoikismus und die Bildung des Stadtstaates aus, aber auch in den andern Kulturen ist der Unterschied von Land- und Stadtadel zunächst ganz ohne Bedeutung gegenüber dem starken und tiefen zwischen dem Adel überhaupt und dem Rest.
    Das Bürgertum entsteht erst aus dem grundsätzlichen Widerspruch zwischen Stadt und Land, der die »Geschlechter und Zünfte«, so schroff sie sich sonst bekämpfen, dem Uradel und dem Lehnsstaat überhaupt, auch dem Lehnswesen der Kirche gegenüber sich als Einheit fühlen läßt. Der Begriff des
dritten Standes
,des
›tiers‹
, um das berühmte Wort der französischen Revolution zu gebrauchen, ist eine Einheit
lediglich des Widerspruchs
und inhaltlich also gar nicht zu bestimmen, ohne eigene Sitte und Symbolik, denn die vornehme bürgerliche Gesellschaft artet dem Adel und die städtische Frömmigkeit dem frühen Priestertum nach; und der Gedanke, daß das Leben nicht einem praktischen Zweck, sondern vor allem mit seiner ganzen Haltung dem Ausdruck der Symbolik von Zeit und Raum zu dienen habe und allein dadurch einen hohen Rang in Anspruch nehmen dürfe, reizt gerade die städtische Vernunft zu erbittertem Widerspruch. Diese Vernunft, zu deren Domäne die gesamte politische Literatur der Spätzeit gehört, nimmt eine neue Gruppierung der Stände von der Stadt aus vor, die zunächst Theorie ist, aber durch die Allmacht des Rationalismus endlich Praxis, sogar die blutige Praxis von Revolutionen wird. Adel und Priestertum erscheinen, soweit sie noch da sind, mit einer gewissen Betonung als privilegierte Stände, womit stillschweigend ausgedrückt wird, daß ihr Anspruch auf verbriefte Vorrechte auf Grund ihres geschichtlichen Ranges vor dem zeitlosen Vernunft- oder Naturrecht veraltet und sinnlos ist. Sie haben jetzt ihren Mittelpunkt in
Hauptstädten
– ein wichtiger Begriff der Spätzeit – und entwickeln erst jetzt die aristokratischen Formen zu jener ehrfurchtgebietenden Vornehmheit, wie sie z. B. aus den Bildnissen von Reynolds und Lawrence spricht. Ihnen treten die geistigen Mächte der

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