Der Untergang des Abendlandes
antike Ursymbol in denkbar stärkster Form zum Ausdruck bringt, als selbständige Mächte nicht in Betracht kamen. Dagegen läßt die Geschichte des ägyptischen Menschentums, in dem ein gewaltiger Tiefendrang mit gleicher Kraft in die zeitliche und räumliche Ferne strebt, das Ringen beider Stände und ihrer Symbolik bis in das ausgebildete Fellachentum hinein beständig erkennen. Denn der Übergang von der vierten zur fünften Dynastie ist auch mit einem deutlichen Triumph des priesterlichen über das ritterliche Weltgefühl verbunden; der Pharao wird vom Leibe und Träger zum Diener der höchsten Gottheit, und das Heiligtum des Re überwindet an architektonischer wie an sinnbildlicher Wucht den Totentempel des Herrschers. Das Neue Reich sieht gleich nach den ersten großen Cäsaren die politische Allmacht der Amonspriesterschaft von Theben und dagegen wieder die Umwälzung des Ketzerkönigs Amenophis IV., die doch auch eine sehr fühlbare politische Seite hat, bis die Geschichte der ägyptischen Welt nach endlosem Ringen zwischen Krieger- und Priesterkaste mit der Fremdherrschaft zu Ende geht.
Dieser Kampf zweier gleich mächtiger Symbole ist in der faustischen Kultur mit verwandtem Geist, aber noch viel größerer Leidenschaft geführt worden und läßt zwischen Staat und Kirche von der frühesten Gotik an den Frieden nur als Waffenstillstand möglich erscheinen. In diesem Kampf kommt die Bedingtheit des Wachseins zum Ausdruck, das vom Dasein unabhängig sein möchte und doch nicht kann. Die Sinne bedürfen des Blutes, das Blut aber nicht der Sinne. Der Krieg gehört in die Welt der Zeit und Geschichte –
geistig ist nur der Streit mit Gründen, die Disputation
–, eine
kämpfende
Kirche begibt sich aus dem Reich der Wahrheiten in das der Tatsachen, aus dem Reich Jesu in das des Pilatus; sie wird ein Element innerhalb der Rassengeschichte und unterliegt durchaus der Gestaltungskraft der
politischen
Seite des Lebens; sie kämpft mit Schwert und Geschütz, mit Gift und Dolch, mit Bestechung und Verrat, mit allen Mitteln des jeweiligen Parteikampfes von der Feudalzeit bis zur modernen Demokratie; sie opfert Glaubenssätze gegen weltliche Vorteile und verbündet sich mit Ketzern und Heiden gegen rechtgläubige Mächte. Das Papsttum
als Idee
besitzt eine Geschichte für sich, aber unabhängig davon waren die Päpste des 6. und 7. Jahrhunderts byzantinische Statthalter syrischer und griechischer Herkunft, dann mächtige Landbesitzer mit Scharen höriger Bauern; endlich wurde das Patrimonium Petri zu Beginn der Gotik eine Art Herzogtum im Besitz der großen Adelsgeschlechter der Campagna, die abwechselnd Päpste stellten, voran die Colonna, Orsini, Savelli, Frangipani, bis das allgemein abendländische Lehnswesen auch hier herrschend wurde und der Stuhl Petri innerhalb der Familien römischer Barone zur Verleihung kam, so daß der neue Papst wie jeder deutsche und französische König die Rechte seiner Vasallen zu bestätigen hatte. Die Grafen von Tusculum ernannten 1032 einen zwölfjährigen Knaben zum Papst. Achthundert Burgtürme erhoben sich damals im Stadtgebiet zwischen und auf den antiken Ruinen. Im Jahre 1045 hatten sich drei Päpste im Vatikan, Lateran und in Santa Maria Maggiore verschanzt und wurden von ihrer adligen Gefolgschaft verteidigt.
Dazu tritt nun die Stadt mit ihrer Seele, die sich von der Seele des Landes erst löst, dann sich ihr gleichstellt, endlich sie zu unterdrücken und auszulöschen sucht. Aber diese Entwicklung vollzieht sich in
Arten des Lebens
und gehört also auch der Ständegeschichte an. Kaum ist das Stadt
leben
als solches aufgetaucht und in der Bewohnerschaft dieser kleinen Siedlungen ein Gemeingeist erwachsen, der das eigne Leben als etwas anderes empfindet als das Leben draußen, da beginnt der Zauber
persönlicher Freiheit
zu wirken und immer neue Daseinsströme in die Mauern zu ziehen. Es gibt da eine Art Leidenschaft, Städter zu sein und Stadtleben auszubreiten. Aus ihr und nicht aus materiellen Anlässen geht das Fieber der antiken Gründungszeit hervor, die uns in ihren letzten Ausläufern noch erkennbar ist und da nicht ganz richtig als Kolonisation bezeichnet wird. Es ist die zeugende Begeisterung des Menschen der Stadt, die seit dem 10. Jahrhundert in der Antike und »gleichzeitig« in den anderen Kulturen immer neue Geschlechterfolgen in den Bann eines neuen Lebens zwingt, mit dem zum erstenmal inmitten der Menschengeschichte die
Idee der Freiheit
erscheint. Sie ist
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