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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Übertragung ihrer Rechte an das Strategenkollegium. [Diese Maßregel – eine Usurpation der Verwaltung durch das Volksheer entspricht der Einsetzung von Konsulartribunen in Rom durch die Militärunruhen von 438.] 461 wurde der dem Senat entsprechende Areopag gestürzt. Auf Sizilien, das mit Rom in engem Verkehr stand, siegte die Demokratie 471 in Akragas, 465 in Syrakus, 461 in Rhegion und Messana. In Sparta haben die Könige Kleomenes (488) und Pausanias (470) vergeblich versucht, die Heloten, römisch gesprochen die Klientel, zu befreien und damit dem Königtum selbst den oligarchischen Ephoren gegenüber die Bedeutung des römischen Tribunats zu geben. Hier fehlt wirklich, was die Forschung in Rom nur übersieht, die Bevölkerung einer Verkehrsstadt, die solchen Bewegungen die Führung und die Wucht gibt, und daran ist endlich auch der große Helotenaufstand von 464 gescheitert, nach welchem vielleicht die römische Legende von einer Auswanderung der Plebs auf den heiligen Berg erfunden worden ist.
    In einer Polis fallen Landadel und städtisches Patriziat zusammen – das ist, wir wir sahen, der Zweck des Synoikismos –, Bürger und Bauern aber nicht. Diese sind im Kampf gegen die Oligarchie
eine einzige
Partei, die demokratische nämlich, abgesehen davon aber sind es
zwei
. Das kommt in der nächsten Krise zum Ausdruck, in welcher das römische Patriziat um 450 seine Macht als
Partei
wieder herzustellen versucht. Denn so hat man die Einsetzung von Dezemvirn zu verstehen, mit welcher das Tribunat fortfiel; das Zwölftafelrecht, in welchem der eben erst zum politischen Dasein gelangten Plebs
conubium
und
commercium
versagt wurden, und vor allem die Schaffung der kleinen Landtribus, in denen der Einfluß der alten Geschlechter nicht rechtlich, aber tatsächlich vorherrschte, und die in den Tributkomitien, die jetzt neben die früheren Zenturiatkomitien traten, die unbedingte Stimmenmehrheit besaßen: 16 gegen 4. Damit war die Bürgerschaft durch das Bauerntum entrechtet, und das war sicherlich ein Schachzug der patrizischen Partei, welche die von ihr geteilte Abneigung des Landes gegen die Geldwirtschaft der Stadt in einem gemeinsamen Schlage wirksam machte.
    Die Gegenwirkung erfolgte rasch und ist in der Zehnzahl von Tribunen erkennbar, welche nach dem Rücktritt der Dezemvirn erscheinen, [Nach B. Niese. Daß das Dezemvirat zunächst als vorübergehendes Amt gedacht war, darin hat die moderne Forschung wohl recht; es fragt sich aber, welche Absichten die hinter ihm stehende Partei mit der Neuordnung der Ämter verband, und
darüber
muß es zu einer Krise gekommen sein.] aber von diesem Ereignis sind der Tyrannisversuch des Sp. Maelius (439), die Einsetzung von Konsulartribunen durch das Heer an Stelle der Zivilbeamten (438) und die lex Canuleja (445), welche das Verbot des Conubiums zwischen Patriziern und Plebejern wieder aufhob, nicht zu trennen.
    Daß es damals in Rom Faktionen unter Patriziern wie Plebejern gegeben hat, welche den Grundzug der römischen Polis, das Gegenüber von Senat und Tribunat antasten und je nachdem eine der beiden Größen beseitigen wollten, kann gar nicht zweifelhaft sein, aber diese Form war so glücklich geraten, daß sie nie ernsthaft in Frage gestellt worden ist. Mit der vom Heere durchgesetzten Zulassung der Plebs zum höchsten Staatsamt (399) nahm der Kampf eine ganz andere Richtung. Man kann das 5. Jahrhundert innerpolitisch als das des Ringens um die gesetzmäßige Tyrannis bezeichnen; von da an ist die polare Ordnung anerkannt und die Parteien kämpfen nicht mehr um die Aufhebung, sondern um die Eroberung der großen Ämter. Das ist der Inhalt der Revolution zur Zeit der Samnitenkriege. Mit dem Jahre 287 hat die Plebs den Zutritt zu
allen
Ämtern erlangt, und die von ihr genehmigten Anträge der Tribunen erhalten ohne weiteres Gesetzeskraft; andrerseits ist es von da an dem Senat praktisch immer möglich, wenigstens einen der Tribunen, etwa durch Bestechung, zur Interzession zu veranlassen und damit die Macht der Institution aufzuheben. In dem
Ringen zweier Kompetenzen
hat sich das juristische Feingefühl der Römer entwickelt. Während anderswo die Entscheidungen mit Fäusten und Knütteln üblich wurden – der technische Ausdruck dafür ist Cheirokratie –, gewöhnte man sich in der klassischen Zeit des römischen Staatsrechts, dem 4. Jahrhundert, an den Wettstreit der Begriffe und Interpretationen, in welchem die leiseste Unterscheidung im gesetzlichen Wortlaut den

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